Man sieht nicht nur, man spürt

Bewegende Retrospektive: Heidi Harsieber im Francisco Carolinum Linz

Heidi Harsieber: Harmonie du soir, 1982
Heidi Harsieber: Harmonie du soir, 1982 © Harsieber

Es ist eine sehr intensive, sehr intime Ausstellung, die das Francisco Carolinum bis 19. März 2023 in Linz zeigt. „Heidi Harsieber ist eine der wichtigsten Positionen der österreichischen Fotografie“, streut Alfred Weidinger, Geschäftsführer der OÖ Landes-Kultur GmbH, der 1948 Geborenen Rosen.

Schlicht „Heide Harsieber. Hand.Kamera“ heißt die Schau — kuratiert von Michaela Seiser —, die die einst jüngste Profifotografin Österreichs anhand umsichtig ausgewählter Werke ihres Schaffens, das in den 1960er-Jahren begann, präsentiert.

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„Sie zeigt das, was nicht gesagt werden kann“

Sich selbst zu zeigen, den eigenen Emotionen Ausdruck zu verleihen, hat sich Harsieber früh zum Credo gemacht, auch wenn sie mit Porträts von Künstlerkolleginnen und -kollegen bekannt wurde.

In der Serie „Epitaph für Werner“verarbeitet sie den Suizid ihres Partners Werner Kuntschik, ebenfalls Künstler. Collagen, großformatige Fotografien in Schwarz-Weiß, die die junge Harsieber nackt unter den Arbeiten Kuntschiks zeigen. Selbstporträts, die eine starke Nähe zu dem Paar zulassen, zu dem Verlust, dem Verschwinden.

„Es waren Erinnerungen an den Suizid von Werner“, sagt die Fotografin: „Ich war da plötzlich alleine, ohne ihn.“ Werke von Harsieber sieht man nicht nur, man spürt sie. An der Wand ein Zitat von Schriftsteller Ferdinand Schmalz: „Heidi Harsieber fotografiert und zeigt dabei das, was nicht gesagt werden kann.“

Sie bestimmt über ihren Körper, Geist, ihre Arbeit

Harsieber ist auch eine handwerkliche Könnerin, die jeden Schritt ihrer analog entstehenden Fotografien beherrscht und selbst geht. Ihre Selbstporträts sind ungewöhnlich, sie zeigt alles, versteckt sich, posiert, wirkt unbeobachtet. Ihr langes Haar wird zum Vorhang, der über Gesicht und Körper fällt, die Posen zwischen Laszivität und Ironie. Das alles führt zu einem Schluss: Sie bestimmt — über ihren Körper, ihren Geist, ihre Arbeit.

Es seien „Seelenzustände“, die Harsieber auf Fotomaterial bannt, sagt Michaela Seiser und verweist auf den performativen Charakter der Werke aus den 80ern. Harsiebers Körper wird älter, jedes Bild wirkt noch selbstbewusster. „Meine Identität habe ich zum Teil über die Fotografie gefunden“. Ein Zitat der Künstlerin. Man könnte ganz groß formulieren: Was hier zu sehen ist, ist Frau- und Menschwerdung.

Im letzten Raum nähert sich die Schau der Jetzt-Zeit. Erotik, Sex, Alter, Schmerz, Tod: Die Fotografin lässt kein Thema außen vor, konfrontiert die Betrachter aber immer auf eine sehr sensible, zarte Art und Weise damit. Harsieber thematisiert auch heute ihren Körper, fotografiert ein Kreuz, das alles verändert. Die Markierung auf ihrer Brust, die für den Tumor steht, der darunter liegt. Dieses Bild zeigt, wer die Macht in diesem Lebensspiel hat. Harsieber nimmt sich dieses Kreuz, macht ihr Bild, ihr Werk daraus, ermächtigt sich.

Eine Ausstellung, die ein stilles, intensives Erleben einer im besten Sinne des Wortes selbstbewussten Frau ermöglicht.

Von Mariella Moshammer

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