
Noch im Herbst 2022 begleitete Peter Weibel die von ihm mitkonzipierte Ausstellung von Christa Sommerer und Laurent Mignonneau im ZKM Karlsruhe und im OK Linz, nun ist der Medienkünstler nach kurzer Krankheit mit 78 Jahren verstorben.
Grundstein für das, was zur DNA von OÖ gehört
„Mit Peter Weibel verlässt uns Österreichs bedeutendster Kunst- und Medientheoretiker, dessen umfangreiches Lebenswerk uns noch lange begleiten und inspirieren wird“, äußert sich Landeshauptmann Thomas Stelzer mit großem Bedauern zur Nachricht vom Ableben Weibels, der am 5. März 1944 in Odessa geboren wurde. „Dann flüchtete meine Mutter mit mir über Polen, Tschechien, den Schwarzwald nach Oberösterreich in ein US-Lager für ,displaced persons’“, sagte Weibel einst in einem Interview.
Seine Kindheit und Schulzeit verbrachte Weibel in Ried im Innkreis und blieb Oberösterreich immer verbunden. „Weibel legte den Grundstein für das, was heute zur DNA unseres Bundeslandes gehört — die Medienkunst“, so Stelzer weiter: „Von 1992 bis 1995 war er künstlerischer Leiter der Ars Electronica und immer wieder gern gesehener Gast des Festivals.“
Ein Vielarbeiter und Tausendsassa
Weibel war Künstler und Kurator, Medientheoretiker und Museumsleiter, Schnellsprecher und Vielarbeiter: Mehr als 50 Jahre lang prägte er die Medienkunst und den Kunstdiskurs im deutschsprachigen Raum, war langjähriger Leiter des Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM).
1964 begann Weibel in Wien ein Medizinstudium und wechselte später zu Mathematik und Logik. Eine Dissertation über mathematische Logik hat er zwar geschrieben, aber nie eingereicht.
Von der visuellen Poesie, Textaktionen und Aktionstexten im Rahmen des Wiener Aktionismus der 60er-Jahre fand Weibel auf der Suche nach Erweiterungen des Materials, der Medien und Methoden der Kunstproduktion bald zur (konzeptuellen) Fotografie und zum Film, zum „erweiterten Kino“ mit Aktionsfilmen, Filmaktionen, Film ohne Film, zu körperbezogenen Aktionen, etwa gemeinsam mit VALIE EXPORT. Die Linzer Künstlerin gab sich bestürzt über Weibels Ableben: „In unserer künstlerischen Praxis bereicherten wir uns wechselseitig. Peter Weibel und ich waren in Freundschaft und Respekt miteinander verbunden.“
1968 war Weibel maßgeblich an der Organisation der skandalumwitterten Aktion „Kunst und Revolution“ mit u.a. Günter Brus und Otto Mühl an der Uni Wien beteiligt. Zehn Jahre später wandte er sich der Musik zu und gründete zusammen mit Loys Egg die Band Hotel Morphila Orchester. Früh befasste er sich mit den Fragen von Video- und Computerkunst und virtuellen Räumen. In seinem Werk verwendete Weibel ab 1966 bereits interaktive Praktiken und ab 1990 interaktive Computerinstallationen.
Als kontroversieller Denker wurde er bald zum gesuchten Lektor und Professor an internationalen Kunstschulen von Kassel bis Halifax. Er lehrte auch an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und in den USA. Zu den unzähligen Jobs, die Weibel in der Kunstszene innehatte, zählte auch der Posten des Kommissärs des Österreichbeitrags bei der Biennale Venedig (1993 bis 1999).
1999 übernahm Weibel schließlich die Leitung des ZKM in Karlsruhe, dem weltgrößten Medienzentrum. Ende März hätte er das Haus nach fast einem Vierteljahrhundert verlassen. Er hatte geplant, wieder nach Wien zu ziehen und eine bewohnbare Bibliothek zu schaffen.
Ausgezeichnet wurde Weibel u.a. mit dem Oskar-Kokoschka-Preis, dem Lovis-Corinth-Preis, 2017 erhielt er den Österreichischen Kunstpreis. Das deutsche Magazin „Cicero“ führte ihn 2019 auf seiner Liste der wichtigsten Intellektuellen des deutschen Sprachraums auf Platz 75.