Musical-Frühling: Gmunden mag es schwer

Beim Musical-Frühling Gmunden mag man offenbar schwierige Stoffe: Nach der Anne-Frank-ähnlichen Geschichte „Briefe von Ruth“ im Vorjahr wagte man sich heuer über „Dear Evan Hansen“ von Benj Pasek und Justin Paul. Ein starkes Ensemble unter der Regie von Intendant Markus Olzinger brachte das die psychische Gesundheit und Suizidgedanken von Jugendlichen thematisierende Stück ebenso behutsam wie unterhaltsam auf die Bühne. Standing Ovations bei der Premiere Freitagabend.

Im Zentrum der deutschsprachigen Erstaufführung im Stadttheater steht der junge Evan Hansen, der an einer Angststörung leidet und deshalb keine Freunde hat. Er schafft es nicht, seine Flamme Zoe anzusprechen, weil seine Hände immer zu schwitzig sind. Und dann ist da noch sein Gipsarm, auf dem niemand unterschreiben mag, als nicht zu vernachlässigender Nebendarsteller. Evans Therapeut empfiehlt ihm, sich selbst positive Briefe zu schreiben. Als ihm Zoes Bruder Connor einen solchen mopst und sich kurz darauf das Leben nimmt, meinen alle, es handle sich um Connors Abschiedsbrief und dass Connor und Evan heimlich ein Paar waren.

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Evan bringt es nicht übers Herz, das Missverständnis aufzuklären, und baut mit seinen Schulkollegen Jared (Savio Byrczak, stets leicht spöttisch) und Alana (Vanessa Heinz als herrlich super-wichtige Trauer-Influencerin) ein Lügenkonstrukt auf, das sich immer weiter aufbläht.

Die Geschichte scheint ja nur Vorteile zu haben: Connors Eltern (Annemieke van Dam und Yngve Gasoy-Romdal) glauben, dass der aggressive Junkie in Wirklichkeit ein glücklicher Bub und ein liebender Sohn war, der Einzelgänger Evan findet plötzlich sozialen Anschluss, sogar mit Zoe klappt es, Alana kann sich auf Social Media als erfolgreiche Fundraiserin präsentieren und ein alter Apfelgarten wird wiederbelebt.

Man vergisst ob dieser positiven Energie fast, dass jemand gestorben ist, und ein Ausstieg aus der Geschichte erscheint ohnehin nicht mehr möglich – bis das Ganze schließlich dank Evans alleinerziehender Mutter Heidi, gespielt von einer auch darstellerisch überzeugenden Anna Thorén, doch noch platzt.

In der Rolle des Evan Hansen ist Denis Riffel zu sehen. Der Kampfsportler war bisher eher auf körperbetonte Parts spezialisiert, zuletzt etwa als Berger in „Hair“ im Salzburger Landestheater. Sein Evan ist hingegen ein Augenkontakt meidender, stets kurz vorm Hyperventilieren stehender und seine Schwitzhände knetender Loser, auf dessen Stirn irgendjemand „mobbt mich“ tätowiert zu haben scheint, und der es immer gut meint. Anfangs fremdelt er kurz mit dem schüchternen Einzelgänger, aber rasch lässt er sich voll und ganz auf den Charakter ein, was ihm Standing Ovations beschert.

Musikalisch braucht das Stück ebenfalls ein wenig bis es anläuft, die Eckpfeiler müssen schließlich erst erklärt werden, dann setzt es aber auf eingängigen Pop, das Ensemble überzeugt durchwegs stimmlich. Vor allem der verblichene Connor als Evans Schatten (Jelle Wijgergangs) und Michaela Thurner als dessen Schwester und Evans Freundin Zoe (Beziehungsstatus: es ist kompliziert) stechen heraus. Gespielt wird noch im April im Gmunden, ab Herbst ist die Produktion im Stadttheater Fürth zu sehen.

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