Grimms Märchen „Die Sterntaler“ vom armen Mädchen, das aus Barmherzigkeit in einer kalten Winternacht alles, was es besitzt, mit anderen bedürftigen Menschen teilt und am Schluss auch noch sein letztes Hemd gibt, ist ein berührendes Gleichnis über selbstlose Nächstenliebe, die von Gott belohnt wird. In diesem Fall mit unzähligen goldenen Sterntalern, die vom Himmel fielen und so das Mädchen reich beschenkten.
Faszinierender Gesangsabend
Zahlreiche musikalische Sterntaler, sprich Kleinodien, regnete es beim gleichnamigen Programm mit Musik von Rudolf Jungwirth nach Texten von Karin Peschka bei einem faszinierenden Gesangsabend in der Landeskonzerte-Reihe „Vokal:isen“. Initiator und Organisator Andreas Lebeda, der international als Bariton bei unzähligen Opernaufführungen und als Musiker große Erfolge feierte, hatte für diese voradventliche Aufführung in der Linzer Martinskirche hochkarätige Lieder und Stücke zusammengestellt, die das Publikum berührten und begeisterten.
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Karin Peschkas Text
Im Mittelpunkt des Programms stand der literarische Text „Sterntaler“ der preisgekrönten oberösterreichischen Schriftstellerin Karin Peschka aus dem Jahr 2008, den diese auch selbst rezitierte. Darin setzt sich die Autorin in beklemmender und zugleich traumsequenzhafter Betrachtung hochkomplex mit dem Thema Tod und Abschied auseinander. Sie begleitet einen verstorbenen Freund im Jenseits und versucht ihn weg vom Abgrund in die Welt der Lebenden zurückzuholen. Trauer, Wut und Leugnen des Todes vermischen sich mit Resignation, Trost und am Ende mit der Hoffnung, dass der Verstorbene vielleicht in Form der goldenen Sterntaler aus dem Jenseits wieder zurückgekehrt ist.
Aufwühlend musikalisch untermalt
Dramatisch und aufwühlend musikalisch untermalt wurde der Gang der Autorin in die Anderswelt der Toten von Liudmilla Beladzed am Tenorhackbrett und Andrej Serkov am Akkordeon, eine packende Interpretation der Komposition von Rudolf Jungwirth, die fesselte und zugleich das Totenreich in einer Art Endzeitstimmung eindringlich beschrieb, die angesichts der politischen Lage nichts an Aktualität eingebüßt hat. Sehr beeindruckend auch der „ab- und angesang“, den Peschka und Jungwirth 2022 verfasst und komponiert haben.
Bariton Andreas Lebeda interpretierte hier virtuos in einer Art atonalem Sprechgesang, wie er zeitgenössischer Musik eigen ist, den Text von Karin Peschka, den die Autorin abwechselnd mit der Singstimme rezitierte. „Hat sich herangestohlen die graue Zeit …“ so der Refrain des Stückes, das auf eine subtile, hintergründige Weise politisch und poetisch in einem, dem Weltuntergang nachspürt.
Als Klammer und roter Faden zu diesen nachdenklich stimmenden Programmpunkten fungierten dazwischen die Auftritte der Osttiroler Sopranistin Antonia Ortner, die mit ihrer glockenhellen und klaren Singstimme die Rolle des hoffnungsfrohen Lichtblicks übernahm.
Mit Liedern „Aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach“, die Johann Sebastian Bach für seine angebetete Ehefrau anno 1725 verfasste. Gesangstücke wie „Willst du dein Herz mir schenken“ oder etwa die Arie „Schlummert ein“ interpretierte Ortner virtuos und mit engelsgleichem Ausdruck in der Stimme, begleitet von Andreas Lebeda am Clavichord. Das hörte sich einfach überirdisch schön an, als würden sogleich güldene Sterntaler von der Decke der Kirche auf das zutiefst berührte Publikum herabschweben.
Alles in allem ein besinnlich musikalischer und von den Besuchern gefeierter Abend, der wunderbar und nachdenklich auf den Advent einstimmte und die stille Zeit würdig ankündigte.
Von Barbara Duftschmid