Musikalischer Politkrimi in der Kulturfabrik Helfenberg

Premiere: „Die stumme Serenade“, musikalische Komödie von Erich Wolfgang Korngold

In der Kulturfabrik Helfenberg ging am Mittwoch die mit Spannung erwartete Premiere von Erich Wolfgang Korngolds musikalischer Komödie „Die stumme Serenade“ über die Bühne (UA 1946). In der Erinnerung vieler klingt noch Korngolds berühmtestes Werk, die Oper „Die tote Stadt“, mit großem Erfolg 2022 aufgeführt am Musiktheater. Der aktuellen Helfenberger Inszenierung fehlt es ein wenig an Leichtigkeit, das Ensemble hingegen überzeugt.

Das Liebes- und Revolutionsdrama „Die stumme Serenade“ spielt in Neapel. Die Geschichte könnte aber auch aus einer Soap wie „Sturm der Liebe“ stammen und stellenweise aus dem echten Leben.

Silvia Lombardi, die Braut des Ministerpräsidenten, meint, ein Eindringling hätte sie im Schlaf geküsst. In selbiger Nacht versteckt ein Attentäter nebenan eine Bombe unter dem Bett des Regierungschefs. Der Verdacht fällt unverzüglich auf den Couturier der Schönen. Der gibt zu, tatsächlich nächtens im Garten seiner Angebeteten ein Ständchen dargebracht zu haben, allerdings stumm, denn seine Töne fänden lediglich in der Seele statt. Obwohl in beiden Fällen unschuldig, gesteht er schließlich Kuss und Bombe, auf die sichere Zusage des Polizeichefs hin, vom König selbst begnadigt zu werden. Der König stirbt noch vor der Begnadigung. Nun droht dem Schneider gleich zweimal die Todesstrafe. Nur massive Eingriffe des Schicksals können da noch helfen.

Kleinkariertes wie Bombastisches auf mehreren Ebenen

Ein Putsch vertreibt den verhassten Ministerpräsidenten. An seiner Stelle sieht sich plötzlich der Schneider. Der aber fühlt sich nicht wirklich bereit zum Regieren. Erfüllung findet er eigentlich nur zwischen Stoffen und seinen Kundinnen. Chapeau vor Kostümbildnerin Anna Kreinecker, die Kleinkariertes wie Bombastisches mit jener Raffinesse verarbeitet, die man von renommierten Couturiers erwarten darf. Dazu schuf Clemens Anderl mit einfachen Mitteln eine Bühne auf mehreren Ebenen. Zu ebener Erde dient ein Laufsteg für Modeszene, Regierung, Volk und Liebespaare. Auf zwei Balkonen leitet Vinzenz Praxmarer mit Konzertmeister Josef Herzer das bestens disponierte Johann Strauss Ensemble.

Zum Polit- und Liebes Wirrwarr komponierte Korngold in seinem letzten Stück 1946 ein Feuerwerk an Klängen. Im Stil der 20er-Jahre lässt er Jazziges anklingen, swingt im Bigband-Sound, schwelgt in Filmmusik und reist zurück zur traditionellen Operette.  Mühelos wechseln Sänger und Orchester zwischen den Genres.

Korngold, der als Jude nach Amerika auswanderte und dort große Erfolge feierte, kam 1949 in ein devastiertes Österreich zurück. Resigniert und künstlerisch erfolglos kehrte er 1955 Europa endgültig den Rücken.

Als ob Regisseur Rainer Vierlinger die Tragik des Komponisten einfließen lassen möchte, bringt er Schwere in die Inszenierung. Leichtigkeit verliert sich, Emotionen verpuffen, Esprit und Komik bleiben auf der Strecke.

Überzeugendes Ensemble

Überzeugen kann dafür das feine Ensemble mit unverstärkten Orchesterklängen und Gesangsstimmen zu Korngolds vielseitiger Musik. Romana Amerlings Sopranstimme umgarnt in sicheren Höhen und Tiefen, rührend in leisen Tönen, als Silvia Lombardi Matthias Helm als Schneider Andrea Cocle´- anders als im Titel gewinnt er nicht stumm, sondern mit seinem samtigem Bariton das Herz seiner Angebeteten. Musikalisch tänzelt als Schneidermädchen mit Schauspielambitionen Lena Stöckele durch Korngolds Kantilenen. Neben Johann Leutgeb als Journalist Caretto und Martin Lechleitner als windiger Polizeichef erfreut auch das kokette Damentrio (Marlene Janschütz, Eva Schöler, Zuzana Detrasova)

Wie ein scheinbar absurder Kunstgriff realitätsnah wird

Im Finale braucht es noch einmal einen machtvollen Deus ex Machina. Der wahre Attentäter taucht aus heiterem Himmel auf. Zum Jubel des Volkes übernimmt er die Regierung. Durch das Attentat hat er zusätzliche Publicity erlangt. Der seinerzeitige Librettist Victor Clement konnte nicht wissen, wie realitätsnah sein scheinbar absurder Kunstgriff einst werden sollte. Wo schon vorher der ungeliebte Herrscher Amerika, äh Neapel, wieder groß machen wollte, posaunt nun der alte und zugleich neue Präsident diese Parole. In der Doppelrolle erscheint – anfangs uniformiert mit lächerlich kurzen Hosen, später als Guerilla – Peter Woy als präpotenter Ungustl. Der Schneider und seine Braut sind abseits des Geschehens happy – und aus.

Das recht abrupte Ende nach gut zwei Stunden (mit Pause) geht fließend über in einen langen stürmischen Applaus für Sänger, Schauspieler und Orchester.

Von Eva Hammer

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