Natur und Geopolitik: Secession zeigt „Forms of the Shadow“

Erinnerung an die Mondlandung: Arbeit von Adrián Villar Rojas in der Secession © APA/Wolfgang Huber-Lang

„Vote Vote Vote“. Die den Wahlaufruf österreichischer Kunst- und Kulturinstitutionen begleitende Botschaft auf den T-Shirts der Secessions-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist eindeutig. Das Sujet stammt von der US-Künstlerin Christine Sun Kim, die 2023 den Hauptraum des berühmten Hauses bespielte. Die Botschaften der aktuellen Secessions-Schau „Forms of the Shadow“, die am Donnerstagabend eröffnet, sind weniger einfach zu entschlüsseln. Es geht um Natur und Geopolitik.

Man habe die Arbeit der südkoreanischen Kuratorin Sunjung Kim schon länger verfolgt und sie daher eingeladen, eine Ausstellung zu kuratieren, „weil wir dachten, dass sie neue Positionen nach Wien bringt und sie sicher eine politische Ausstellung machen wird“, erläuterte am Rande der heutigen Presseführung Secessions-Präsidentin Ramesh Daha im Gespräch mit der APA. Vor allem ihre Arbeit als Gründerin und künstlerische Leiterin des „Real DMZ Project“, eines 2011 ins Leben gerufenen Kunst- und Forschungsprojekts, das sich mit der Demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea beschäftigt, habe den Vorstand interessiert. Auf diese DMZ wird in der von Sunjung Kim kuratierten Gruppenschau, die mit fünf Arbeiten im Korea Kulturzentrum in der Kärntner Straße ihre Fortsetzung findet, vor allem in zweifacher Hinsicht Bezug genommen: als Symbol einer politischen Konfrontation von Supermächten, die sich in den vergangenen Jahren u.a. durch den Ukrainekrieg wieder gefährlich zugespitzt hat, aber auch als Widerstandskraft der Natur gegenüber menschlichen Eingriffen.

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Beide Aspekte greift Adrián Villar Rojas in seiner großen Installation „The End of Imagination III“ auf, die den Hauptraum beherrscht: seine „topografische forensische Rekonstruktion“ des Landeplatzes von Apollo 11 halte einerseits den „Man on the Moon Moment“ des Jahres 1969 fest, in dem sich der Wettlauf der Supermächte bis ins All erstreckte und die menschliche Macht über die Natur keine Grenzen zu haben schien, thematisiere andererseits Fragen von Konservierung und Bewahrung, so der Künstler: „Die Schuhabdrücke von Neil Armstrong und Buzz Aldrin sind noch immer dort zu sehen.“ Weniger rätselhaft scheint da die Arbeit „Aubade V“ der koreanischen Künstlerin Lee Bul zu sein: Dass es hier um einen mit Leuchten und Anzeigetafeln verfremdeten stählernen Kontrollturm aus der DMZ geht, erschließt sich auch ohne Zusatzinformation.

Die bis 17. November laufende Ausstellung bezieht auch Unter- und Obergeschoß ein und zeigt neben koreanischen Positionen Werke von in Wien lebenden Künstlerinnen und Künstlern wie Nilbar Güreş, Ramiro Wong oder Min Yoon. „Sunjung Kim war bei der Vorbereitung der Ausstellung immer wieder in Wien und hat hier viele Atelierbesuche absolviert“, zeigte sich Ramesh Daha über die Zusammenarbeit mit der künstlerischen Leiterin des Art Sonje Center in Seoul angetan. Ob die Konturen jener „Schatten in der heutigen Welt, die durch die globale Pandemie, die Klimakrise und geopolitische Spannungen zutage getreten sind“ (Ausstellungstext), durch die gezeigten Skulpturen, Gemälde, Video- und Textilarbeiten an Schärfe gewinnen, und sich tatsächlich „differenzierte Einsichten in die Widerstandskraft der menschlichen Eingriffen ausgesetzten Natur sowie in die nicht nachlassende Suche nach Hoffnung in schwierigen Zeiten“ gewinnen lassen, scheint indes keine ausgemachte Sache und stellt die Besucher vielleicht vor größere Herausforderungen als das Ausfüllen des Wahlzettels. „Vote Vote Vote“ – das scheint jedenfalls mehr Licht als Schatten zu offerieren.

„Forms of the Shadow“, Ausstellung in der Secession und dem Korea Kulturzentrum Wien, Kärntner Straße 43, Kuratiert von Sunjung Kim, Eröffnung heute, Donnerstag, 19 Uhr. 20. September bis 17. November, Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr, secession.at

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