Neu an der Burg: Stefko Hanushevsky und „Der große Diktator“

Stefko Hanushevsky gibt sein Debüt am Burgtheater © APA/EVA MANHART

23 Jahre lang hat der Österreicher Stefko Hanushevsky in Deutschland gelebt und gearbeitet. Für den deutschen Bundestag durfte er nie wählen. Bei der kommenden Nationalratswahl gibt er nun erstmals seine Stimme an seinem Wohnsitz ab – und sieht die politische Entwicklung durchaus mit Sorge. Dass er dazu etwas zu sagen hat, beweist der neue Burgschauspieler ab 5. Oktober im Akademietheater mit seinem Soloabend „Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“.

In dem 1940 uraufgeführten Film warnte der große Charlie Chaplin eindringlich vor dem falschen Traum, den faschistische Führer den Menschen vorgaukeln. „Es sind so viele Jahre vergangen, und es ist erschreckend, wie aktuell seine Botschaft heute noch ist“, sagt der 1980 in Linz geborene und in Gallneukirchen aufgewachsene Schauspieler im APA-Interview. Gerade deswegen habe er nicht vor, seinen Abend an das Wahlergebnis anzupassen. „Ich hoffe, dass er für sich steht.“

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Der 80-minütige Abend, der in Köln 2020 mitten in der Corona-Zeit auf der großen Bühne herauskam, beziehe sich zu je einem Drittel auf den Film, auf seine echte und seine fiktionale Autobiografie, erklärt Hanushevsky – wobei es für die Zuschauer herausfordernd sei, die erfundenen Anteil herauszufinden. „Meistens liegen sie falsch“, lacht er. Die neue geografische Nähe bringe jedoch auch eine veränderte Perspektive – schließlich erzähle er auf der Bühne auch viel über seine Kindheit und Jugend. „Es ist schon erstaunlich, mit wie vielen Altnazis ich aufgewachsen bin, wie präsent die damals waren. Es hat ja nie aufgehört – es wird nur heute nicht mehr so offen ausgelebt.“

Weil sein Vater Amerikaner war, hat der Spross einer Familie mit vielen Wurzeln heute auch die US-Staatsbürgerschaft – und wäre als solcher im Bundesstaat Rhode Island auch für die US-Präsidentschaftswahlen stimmberechtigt. „Sich in die Wählerevidenz eintragen zu lassen, ist aber ein mühsamer Prozess – und der Bundesstaat ist kein Swing State, sondern wählt traditionell demokratisch“, winkt Hanushevsky ab. Dass er einst in den USA die Chance hatte, einen ersten Schritt hin zu einer Hollywood- oder Broadwaykarriere zu wagen, und dass er als Reiseleiter die Faszination amerikanischer Touristen für Relikte der NS-Zeit kennengelernt hat, erzählt er in seinem Solo. Den jeweiligen Wahrheitsgehalt muss jeder selbst herausfinden. Nicht erfunden ist der klapprige Reisebus, der in Köln mit seinen kaputten Bremsen jede Fahrt auf die Bühne zur Zitterpartie gemacht hat. Ihn hat man in Wien detailgenau nachgebaut – „inklusive aller Rostflecken“.

Dass der Oberösterreicher bis auf einen kleinen Auftritt bei den Salzburger Festspielen hierzulande noch nie auf einer Bühne gestanden ist, sei Zufall und dem Ergebnis seiner „Aufnahmeprüfungstournee“ gewesen, die er nach dem Abbruch seines Wiener Philosophie- und Theaterwissenschaftsstudiums in Deutschland absolviert habe, sagt er. An der Universität der Künste in Berlin erhielt er die Zusage, von der aus Österreich stammenden damaligen Intendantin des Schauspiels Frankfurt, Elisabeth Schweeger, später sein erstes Fixengagement. Auch Schweeger arbeitet (als Kulturhauptstadt-Intendantin) mittlerweile wieder in Österreich. „Sie hat einmal gesagt: Zum Sterben kommen wir dann alle wieder nach Hause“, lacht Hanushevsky.

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Danach ging es für ein paar Jahre an das Staatsschauspiel Dresden, wo er erstmals mit Regisseur Stefan Bachmann zusammenarbeitete. Bachmann holte ihn dann 2013 als Ensemblemitglied an das Schauspiel Köln, wo er richtig Wurzeln schlug: „Meine Frau ist Kölnerin, mein Bruder lebt dort, für Film- und Fernseharbeiten ist das ein Super-Standort.“ Hanushevsky spielte sich in die Herzen des Publikums. Und nahm dann doch Bachmanns Angebot an, mit an die Burg zu gehen.

„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass die Entscheidung leicht war. Zum ersten Mal ziehen wir als Familie um. Für unsere beiden Kinder ist es die allergrößte Umstellung. Ich glaube und hoffe, dass es gut gehen wird.“ Er selbst sei noch gar nicht so recht am Burgtheater angekommen, da die Proben für seine erste Produktion („Liliom“) erst Mitte Oktober beginnen, sagt Hanushevsky, freut sich aber über die freundliche und offene Aufnahme am Haus und das Bemühen der Ensemblevertretung um die „Neuen“. Mitte Dezember wird er sich mit „Akins Traum“ in einer weiteren aus Köln übernommenen Produktion vorstellen, und später in der Saison kommt eine zweite Neuproduktion hinzu. Um Stefko Hanushevsky kennenzulernen sind jedoch die 80 Minuten des „großen Diktators“ ohnedies ideal. „So ein Abend ist ein Riesen-Geschenk für einen Schauspieler. Ich stelle mich da so vor, wie ich wirklich bin. Ich verstelle mich nicht. An diesem Abend bin ich ganz in meinen Happy Place.“

Dazu gehört, dass er Chaplin, eines der Idole seines Aufwachsens in der oberösterreichischen Provinz („‚Modern Times‘ und ‚Gold Rush‘ sind wirklich fast frühkindliche Erinnerungen von mir.„), als Inspiration, aber nicht als Vergleichsmaßstab nimmt. “Chaplin nachspielen? Daran kann man nur scheitern!„ Deswegen wird man als Zuschauer auch berühmte Szenen wie die verbal vollkommen unverständliche, in Tonfall und Gestik aber eindeutige Hetzrede des Diktators Anton Hynkel ebenso wiedererkennen wie das Jonglieren mit der Weltkugel als Luftballon – nur wird sie Hanushevsky anders wiedergeben. Dasselbe gilt für den Abschluss, bei dem im Original der Hynkel zum Verwechseln ähnlich sehende jüdische Friseur eine Rede hält, bei der er mit denselben Mitteln wie sein Doppelgänger voll Inbrunst Frieden und Humanismus propagiert. “Ich habe diese Rede schon so viele Male gesehen. Aber sie erwischt mich jedes Mal aufs Neue.„

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

“Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“ von Stefko Hanushevsky, petschinka und Rafael Sanchez im Akademietheater, Premiere: 5. Oktober, 20 Uhr. Regie: Rafael Sanchez, Bühne: Sebastian Bolz, Kostüme: Melina Jusczyk, Musikalische Komposition: Cornelius Borgolte, Licht: Jan Steinfatt. Weitere Termine: 9., 14. und 26. Oktober sowie am 2., 8. und 24. November. burgtheater.at