Neue Staatsopern-„Cosí“ als Theater im Theater

Manchmal sind sich Paare ähnlicher als sie selbst wahrhaben wollen © APA/Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Am Ende ist das (Liebes-)Leben doch nur ein großes Theater: Barrie Kosky hat am Sonntag seine Interpretation der Da-Ponte-Trilogie an der Staatsoper mit der „Cosí fan tutte“ vollendet – mit dem vielleicht allzu naheliegenden Ansatz, das Spiel um die beiden Paare, welche die Treue auf die Probe stellen, in ein Theatersetting zu verlegen. Am Ende stellt Kosky jedoch eine weitgehend jugendliche „Cosí“ auf die Bühne, mit einem Ensemble, das dies weitgehend unpeinlich hinbekommt.

Dabei hatte sich Filipe Manu sein Hausdebüt in der Staatsoper vermutlich anders vorgestellt. Schließlich musste der neuseeländisch-tongaische Tenor seinen Einsatz wegen einer Luftröhrenentzündung absagen – oder besser gesagt den seiner Stimme. Der ukrainische Kollege Bogdan Volkov sang die Partie aus dem Graben, während Manu die Rezitative und vor allem das Spiel auf der Bühne übernahm.

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So leicht wäre das Einspringen in eine der Partien der neuen „Cosí“ nämlich nicht, setzt Kosky doch auf eine genaue, dynamische Personenführung in seiner Spielfläche, die von einem etwas baufälligen Bühnenportal beherrscht wird, das an die baustellenbedingte Situation bei den Kollegen vom MusikTheater an der Wien denken lässt. Hier entwirft der Intrigant Don Alfonso als Regisseur die Method-Acting-Aufgabe für seine zwei Darsteller, die Treue ihrer Geliebten auf die Probe zu stellen. Christopher Maltman ist bei seinem Rollendebüt der klassische alte, weiße Mann, ein Machtmensch, der zynisch die Darsteller nach seiner Pfeife tanzen lässt.

Wie so manch Broadway-Backstagefilm aus den 1970ern, entspinnt sich infolge ein Blick hinter die fiktiven Kulissen des Theaterbetriebes. Die Akteure bespielen die statische Probebühne im schnellen Tempo, und im 2. Akt kommt dann Bewegung in die Sache. Nicht nur die Akteure laufen, sondern die Drehbühnenkonstruktion bewegt sich, eröffnet mittels Treppenkonstruktion weitere Spielflächen.

Federica Lombardi, die bereits in Koskys Interpretationen von Mozarts ebenfalls mit seinem Librettisten Da Ponte geschriebenen „Don Giovanni“ und des „Figaro“ an der Staatsoper zu erleben war, ist nun eine Fiordiligi mit glockenheller Mittellage und bisweilen Tiefenproblemen. Als Hausdebütantin steht ihr Emily D’Angelo als Dorabella gegenüber, die ein etwas verschattetes, gedämpftes Timbre hat, das sich aber mit Lombardis Färbung ideal ergänzt.

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Ensemblemitglied Peter Kellner komplettiert neben dem Duo Manu/Volkov die Herrenriege als Guglielmo. Auch Kellner hat bereits Erfahrung mit Koskys Arbeiten für die Staatsoper, war er doch im „Don Giovanni“ der Leporello respektive interpretierte die Titelfigur im „Figaro“. Das Ensemble vervollständigte Kate Lindsey in der Rolle der Despina als burschikose Inspizientin, abhold des üblichen Klamauks einer Commedia dell’Arte-Figur.

Musikdirektor Philippe Jordan liefert indes bei seiner ersten „Così“ am Haus eine elegante, zurückgenommene Interpretation der Partitur, die den Sängerinnen und Sängern Raum lässt, aber in ihrer Zurückhaltung ein überraschendes Kontrastprogramm zur Bühne darstellt. Ein zupackender, kantigerer Zugriff würde dem Abend besser zu Gesicht stehen. Das gilt am Ende nicht nur für die musikalische, sondern auch die szenografische Deutung. So hält Kosky seinen im wahrsten Sinne theatralen Regieansatz am Ende nicht stringent durch und verlässt den Pfad des Probeneindrucks hin zu einer konventionelleren Konstellation. Ein wenig schade. Und so waren Kosky und sein Team am Ende auch die Einzigen, die einige Buhs im Abschlussapplaus einstecken mussten.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

„Così fan Tutte“ von Wolfgang Amadeus Mozart an der Staatsoper, Opernring 2, 1010 Wien. Musikalische Leitung: Philippe Jordan, Regie: Barrie Kosky, Bühne/Kostüme: Gianluca Falaschi. Mit Fiordiligi – Federica Lombardi, Dorabella – Emily D’Angelo, Guglielmo- Peter Kellner, Ferrando – Filipe Manu, Despina – Kate Lindsey, Don Alfonso – Christopher Maltman. Weitere Aufführungen am 19., 22., 24., 26. und 28. Juni. Die Vorstellung am 22. Juni wird ab 18.30 Uhr live auf Ö1 sowie auf der Streamingplattform der Wiener Staatsoper ausgestrahlt. Am 8. September ist die Produktion ab 20.15 Uhr in ORF III zu sehen.

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