Neue Themenschau im Dom Museum Wien: „In aller Freundschaft“

Das Dom Museum am Wiener Stephansplatz war im Vorjahr bei der Ausstellung „Sterblich sein“ mit dem bisher größten Publikumszuspruch seit der 2017 erfolgten Wiedereröffnung des architektonisch wie inhaltlich erneuerten Diözesanmuseums gesegnet. „Danach war klar: Als nächstes widmen wir uns einem positiv besetzten Thema“, sagte am Donnerstag Museumschefin Johann Schwanberg. Mit „In aller Freundschaft“ ist ihr erneut eine beachtenswerte Themenausstellung gelungen.

„Existenzielle Themen, die für jeden bedeutsam sind, mit unserer Sammlung zu tun haben und gerade jetzt bitter notwendig sind“ – das sind laut Schwanberg die Prämissen bei der Themenfindung. In Werken und Fragestellungen sollen Geschichte und Gegenwart verbunden werden. Bei Freundschaft und menschlicher Nähe sei dies evident, „schließlich waren schon Jesus und seine Jünger eine große Freundschafts-Boyband“. Nach heutigem Verständnis seien damit freiwillige, nicht familiäre und nicht sexuelle Beziehungen gemeint – was sich aber historisch durchaus gewandelt habe. Schon der Ausstellungstitel verweise auf eine „Brüchigkeit“ des Begriffs, der auch zu Männerbünden, Geschlechterfragen und Freunderlwirtschaft führe, erläuterte Co-Kurator Klaus Speidel bei der heutigen Presseführung.

„Wir wollen keine Friede-Freude-Eierkuchen-Ausstellung sein“, betonte auch Schwanberg, die als Kuratorin mit ihrem Team keine chronologische Kunstausstellung vom Mittelalter bis zur Gegenwart gehängt, sondern fünf Assoziationsräume mit Kontrasten und Querverweisen gefüllt hat, bei denen keine Antworten, sondern Denkanstöße gegeben werden. „Zwischen Nähe und Distanz“, „Gemeinsam tun – gemeinsam sein“, „Teams bilden – Allianzen schließen“, „Miteinander werken und wirken“ sowie „Rituale schaffen – Zeichen setzen“ sind diese Bereiche betitelt und sorgen in einem Materialmix aus Grafik, Malerei, Skulptur, Fotografie, Video- und Installationskunst für eine vielschichtige Auseinandersetzung.

Dominieren zunächst eher die Zweierbeziehungen mit einer erstaunlichen Vielfalt an Blicken und Gesten zwischen Zuneigung und Zärtlichkeit, weitet sich das Thema zunehmend auf Gruppen und Netzwerke aus. „Be-Ziehungen II“ heißt etwa ein großes Gemälde von Maria Lassnig, das neben eine Fotoarbeit von Tracey Moffatt gehängt wurde. Die Ausstellung spielt souverän mit Gegenüberstellungen und Weiterführungen – oft über Jahrhunderte hinweg. Das als Plakatmotiv gewählte Foto der US-Argentinierin Alessandra Sanguinetti mit zwei einander umarmenden argentinischen Hirtenmädchen hängt neben einer aus Südtirol entlehnten alten Holzskulptur, die Maria und ihre Verwandte Elisabeth zeigt – beide schwanger und einander sichtbar in großer Emotion verbunden. „Ich kenne keine andere Skulptur des Mittelalters mit einer so zärtlichen Geste“, sagte Schwanberg.

Das österreichische Künstlerduo Muntean/Rosenblum zeigt eine beziehungsvolle Badeszene, unter der es heißt: „Nothing exists independently, not a single molecule, not a thought.“ Die junge französische Künstlerin Juliette Green hat sich auf Einladung des Museums zwei Wochen lang Gedanken über Freundschaft gemacht und eine große Wandzeichnung erstellt, bei der anhand von Vignetten die unterschiedlichsten Antworten auf die Frage „What is the biggest difference between you and your closest friend?“ durchgespielt werden. Unterschiedliche Eltern etwa: Einer stammt von Menschen ab, der andere ist von einem Algorithmus erschaffen.

Schon im nächsten Raum stößt man auf eine weitere gruselige Verbindung von einst und heute: Marlene Fröhlich hat in ihrer Arbeit „Studio Supplement“ eine KI aus von ihr gegebenen Vorgaben „alte“ Schwarz-Weiß-Fotos erstellen lassen. Etwa: „Jahr 1880: Zwei weiße gehörlose Frauen unterhalten sich in einem Café in Wien über ihre Arbeit.“ Tatsächlich lässt sich auf der Fotowand ein solches Motiv entdecken. Auf einem kleinen Pult können die Besucher eigene Wünsche für solche Fotos niederschreiben und einwerfen. Fröhlich verspricht, diese Anregungen in die Erweiterung ihrer Arbeit einfließen zu lassen.

Auch Komik hat ihren Platz: Ein Bild der Boygroup Gelatin hängt neben einem Foto des Künstlerinnenkollektivs „Die Damen“, das sich als „Die vier neuen Mitglieder des Ersten Wiener Männergesangsvereins“ ablichten ließ. Das ist gleichzeitig natürlich hoch politisch – wie etwa auch ein Foto Lisl Pongers, das vier Vertreter europäischer Kolonialmächte zeigt und neben dem Gemälde eines englischen Herrenclubs hängt. Trotz vieler prominenter Künstlerinnen und Künstler – von Günter Brus bis Xenia Hausner und von Peter Fendi bis Arnulf Rainer – ist „In aller Freundschaft“ angenehm überschaubar und überfordert nicht mit einer Überfülle von Exponaten, lädt aber zur umso intensiveren Auseinandersetzung mit den Werken ein. Unter Freunden: Es lohnt sich!

„In aller Freundschaft“, Ausstellung im Dom Museum Wien, 27. September 2024 – 24. August 2025, Täglich 10 – 18 Uhr, Donnerstag 10 – 20 Uhr, dommuseum.at

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