Es brauchte nur drei Namen, um das Burgtheater bis auf den letzten Platz zu füllen: Thomas Bernhard, Nicholas Ofczarek und die Musicbanda Franui. Der Burgschauspieler und die Ausnahmemusiker gestalteten im Eröffnungsreigen der neuen Burgtheaterdirektion von Stefan Bachmann mit „Holzfällen“ einen Abend, den Franui-Mastermind Andreas Schett als „Romanmusikalisierung“ angekündigt hatte. Die heftig akklamierte Premiere geriet am Donnerstag zu einem Abend voll Witz und Tiefgang.
Auf der von Paul Grilj mit mehreren Scheinwerfertürmen ausgestatteten, in verschiedensten Stimmungen ausgeleuchteten Bühne griffen Bernhards bissiger Monolog aus dem Jahr 1984 und leichtfüßige Interpretationen der Musikstücke zahlreicher Komponisten von Johannes Brahms bis Béla Bartók, von Henry Purcell bis Anton Webern symbiotisch ineinander und trieben einander wechselweise auf die Spitze. Ofczarek, der ganz in Schwarz in der Mitte des zehnköpfigen Ensembles vor einem Pult Platz genommen hatte, brachte Bernhards „Erregung“, wie der Roman im Untertitel heißt, facettenreich und verschmitzt zur Geltung. „Holzfällen“ sei perfekt geeignet, „Trauermärsche zu spielen, während Nicholas über das Burgtheater schimpft“, hatte sich Schett vorab über das Setting amüsiert.
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Und tatsächlich: Die Art und Weise, wie Ofczarek Wörter wie „künstlerisches Abendessen“, „Burgschauspieler“ und schließlich „Burgtheaterdirektor“ intonierte, brachte den Saal stets zum Lachen. Für jene Szene, die den Weg eines jeden neuen Burgtheaterdirektors vom anfänglichen Liebling hin zum unvermeidlichen Buhmann beschreibt, setzte es sogar Szenenapplaus. Schließlich, so Bernhard, gebe es zwar stets „Lieblingsburgschauspieler“, wohingegen er noch nie von einem „Lieblingsburgtheaterdirektor“ gehört habe. Im Gegenteil: An die Namen ehemaliger Direktoren könne sich doch bald niemand mehr erinnern.
Und so sinnierte Ofczarek – zwar nicht in einem Ohrensessel, sondern einem ordinären Stuhl – über die verhassten Gastgeber des „künstlerischen Abendessens“, an dem der Ich-Erzähler eigentlich gar nicht habe teilnehmen wollen, die am Vormittag zu Grabe getragene gemeinsame Freundin und gescheiterte Künstlerin Joana und nicht zuletzt über jenen Burgschauspieler, auf den die Abendgesellschaft seit Stunden wartet. Kurz vor der Pause des zweieinhalbstündigen Abends ist dieser schließlich angekommen. Wiedergekommen sind nach der Pause auch fast alle Zuschauer, die sich vor allem in der zweiten Hälfte noch mehr amüsierten als in der ersten.
„Holzfällen. Eine Erregung“ hatte bei seinem Erscheinen für einen der legendären Thomas-Bernhard-Skandale gesorgt. Das Buch wurde als Abrechnung mit Bernhards Freund und Mäzen Gerhard Lampersberg, dessen Gast Bernhard am Kärntner „Tonhof“ oftmals gewesen war, verstanden. Angesichts der Darstellung des Komponisten „Auersberger“, eines heruntergekommenen Alkoholikers mit zahlreichen an Lampersberg erinnernden Zügen, sah sich Bernhard mit einer Klage konfrontiert. Der Roman wurde in Österreich polizeilich beschlagnahmt, Bernhard untersagte daraufhin die Auslieferung all seiner Bücher nach Österreich. In Folge wurde die Beschlagnahmung aufgehoben, Lampersberg zog die Klage zurück, und Verleger Siegfried Unseld kam anonym für die Anwaltskosten auf. Dramatisierungen des Textes gab es seither immer wieder, etwa 2007 am Salzburger Landestheater durch Frank Hellmund oder 2014 in Graz durch Krystian Lupa.
Die Bearbeitung durch die Musicbanda Franui, die auch musikalische Motive von so unterschiedlichen Komponisten wie Anton Bruckner, John Cage und Wolfgang Amadeus Mozart einwob, erhob die szenische Lesung zu einem außergewöhnlichen Abend, den man sich sicherlich auch gerne als Hörspiel auf CD zu Gemüte führen würde. Vorerst steht „Holzfällen“ jedoch noch mehrfach auf dem Spielplan des Burgtheaters und reist als Gastspiel u.a. ans Berliner Ensemble, das Schauspielhaus Bochum und das Schauspiel Stuttgart.
(Von Sonja Harter/APA)
„Holzfällen“ von Thomas Bernhard, mit Nicholas Ofczarek und Musicbanda Franui, Komposition & Musikalische Bearbeitung: Markus Kraler, Andreas Schett, Textfassung: Andreas Schett und Tamara Metelka, Licht: Paul Grilj, Weitere Termine: 16. und 22. Oktober. burgtheater.at