Prämierte Medienkunst aus Lateinamerika im Lentos

Energiesparmaßnahme: Dem Lentos in Linz wird jede Nacht jetzt früher als sonst die Fassadenbeleuchtung abgedreht.

Ein künstliches Wesen aus natürlichen Bestandteilen im Wald und im Wasser, ein Pflanzensamen im menschlichen Tränenkanal und eine Hommage an einen argentinischen Filmpionier sind die Gewinnerarbeiten aus dem CIFO-Ars-Electronica-Award. Sie sind Teil der sehenswerten Ausstellung lateinamerikanischer Medienkunst „Dualities in Equalities: Art, Technology, Society in Latin America“ im Kunstmuseum Lentos bis 27. September in Linz.

„Es geht um aktuelle Technologien, gesellschaftspolitische Fragestellungen und die Wurzeln der Künstlerinnen und Künstler“, fasste Lentos-Direktorin Hemma Schmutz bei der Presseführung am Montag zusammen. Das Geheimnis der guten Zusammenarbeit zwischen der Cisneros Fontanals Art Foundation (CIFO), der Ars Electronica und dem Lentos liege in der Unterstützung neuer Ansätze, so Ars-Geschäftsführer Gerfried Stocker. Die zum zweiten Mal erfolgte Kooperation vergibt Auftragsarbeiten zur Förderung junger, aufstrebender Talente in Lateinamerika. Die drei Gewinnerarbeiten sind mit jeweils bis zu 30.000 Dollar (27.665,07 Euro) dotiert. Die neun Werke fassende Ausstellung markiert den „Start in die internationalste Kulturwoche“ in Linz, freute sich Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer (ÖVP) über Positionen aus anderen Teilen der Welt, da der Fokus ohnehin oft auf Europa sei.

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Sergio Fontanella, CIFO-Direktor für Ausstellungen, betonte, dass „der Hauptfokus auf gesellschaftspolitischen Problemen, der Forschung der Künstlerinnen und Künstler, menschlich wie technologisch liegt“. Er präsentierte gemeinsam mit Christl Baur und Martin Honzik von der Ars Electronica sowie den Kunstschaffenden die Arbeiten. Im Untergeschoß des Lentos rattert ein alter Filmprojektor, der aufmerksam macht auf Joaquin Aras‘ „Añoranzas (Yira Yira)“, eine Hommage an den argentinischen Filmpionier Federico Valle. Nach einem Brand musste er 1926 sein Filmmaterial an eine Fabrik verkaufen, die daraus Kämme fertigte. Aras dreht den Spieß um und verwandelt mit heutiger Technologie alte Plastikkämme in projizierbare Filme. Für Honzik zeigt die Arbeit sehr schön den Stellenwert neuer Erfindungen, damals Plastik, für deren Produktion Kulturschätze verwendet wurden.

Ana María Gómez López aus Kolumbien präsentiert „Inoculate“, mit dem sie Informationen über die okuläre Keimfähigkeit, sprich über die Aussaat eines Pflanzensamens im Tränenkanal des menschlichen Auges, vermitteln will. Die Künstlerin wandte das Verfahren an sich selbst an, eine Bedienungsanleitung in zwölf verschiedenen Sprachen, unter anderem Esperanto, soll das auch Gästen der Ausstellung ermöglichen. Das Projekt sei nicht ohne ein Netzwerk möglich gewesen, sagte die Kolumbianerin, allein an der Übersetzung der Anleitungen wirkten 26 Leute mit.

Optisch gefangen nimmt in dem Raum „Máquinas Salvajes“ von Jonathan Torres Rodríguez. Er produzierte zwei Maschinen aus biologischen Materialien aus zwei Ökosystemen Costa Ricas und setzte sie in ihrer natürlichen Umgebung – Wald und Wasser – aus, um zu beobachten wie die Umgebung auf sie reagiert. Die Unterwasseraufnahme von Fischen, die das fremde und doch natürliche Teil umschwärmen und daran knabbern, offenbart wie real, aber doch anders das Objekt wirken.

„Reflections“ von Jhafis Quintero Gonzalez aus Panama stellt Parallelen zwischen der Gefängniswelt, die er nach einem Banküberfall erlebte, und der vermeintlich freien Welt dar. In überdimensionalen Handy-Bildschirmen geht er der Verwandlung der Menschen durch Technologie in quantifizierbare Daten nach. Alba Triana beschäftigt sich in „Vibrant Self“ mit der Wahrnehmung einzelner Personen. Durch ein Brain-Computer-Interface sehen andere die virtuell dargestellten Reaktionen einer Person auf Musik und Visuals. Rosemberg Sandoval zeigt in „El cuarto del artista en Bahareque“ sehr berührend – mit Kindergummistiefeln und leeren Süßigkeiten-Sackerln hinter Gittern – das Überleben der Arbeiterfamilie des Künstlers in Kolumbien, das sehr ländlich-bäuerlich geprägt sei. Die Arbeit sei zu sehen „im sozio-politischen Kontext in Kolumbien“, einem der gefährlichsten Länder Südamerikas, so Fontanella.

Im Foyer des Lentos gibt Natalia Espinosa aus Ecuador mit „The Ark, Let’s go back …“ ein starkes Statement ab. „Ich möchte Sensibilität gegenüber der Umwelt hervorrufen“, nennt sie den Zweck ihrer Arbeit, die aus auf Brettern angeordneten Artefakten besteht. Teilweise sind es Keramikarbeiten, teilweise Arbeiten aus dem, was sie im Müll gefunden hat. „Wir sind intelligent genug, Eier oder Blumen weite Wege zu transportieren aber gleichzeitig so dumm“, weist sie auf zwei Kreaturen am Ende des Bretterstegs hin, die die Erde zu verlassen scheinen.

Daneben zeigt Andrés Ramírez Gaviria in seiner Videoarbeit „0.0“ die Zerstörung und die Wiederherstellung von zwei Glaskuben, die zeitlich so aufeinander folgen, dass der eine gerade wieder komplett ist, wenn die Glassplitter des anderen zu fliegen beginnen. „Die Implosion des einen Kubus spiegelt sich im anderen“, erklärte der Kolumbianer. Ernüchternd und fesselnd ist Adrian Melis‘ „Tales from the Mountaintop“, eine audiovisuelle Drei-Kanal-Sound-Performance. Er hat Menschen auf Kuba aufgefordert, die Geräuschkulisse der einst glorreichen Reise Fidel Castros und Che Guevaras in den 1950er-Jahren durch die Berge von Castros Guerillas nachzustellen, indem sie spezifische Klänge aus Objekten und Materialien von der nahen Müllhalde erzeugen.

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