Die Bundesregierung hat sich nach Gesprächen mit Branchenvertretern und Experten auf ein Medienpaket geeinigt. Dieses sieht verschärfte Transparenzbestimmungen bei der Inseratenvergabe öffentlicher Stellen und eine neue Medienförderung vor. Letztere soll Rahmenbedingungen unterstützten, die die Qualität des Journalismus steigern. Ein entsprechender Ministerratsvortrag wurde heute, Mittwoch, im Ministerrat eingebracht.
„Medien sind die 4. Säule der Demokratie und wichtiges Korrektiv“, sagte Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) am Mittwoch. Man wolle mit dem Medienpaket die Medienvielfalt absichern, den Medienstandort Österreich stärken und in die Zukunft führen, erklärte sie. „Wir brauchen als Bürgerinnen und Bürger qualitätsvollen Journalismus, der die Unordnung ordnet“, so Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer. „Ohne Medien und Journalismus ist die Demokratie inexistent. Diesen Beitrag zur Demokratie wollen wir unterstützen.“
Die Inseratenvergabe durch öffentliche Rechtsträger soll künftig lückenlos dargelegt und transparent sowie nachvollziehbar gestaltet werden. „Jedes Inserat, jeder Euro muss nachvollziehbar sein. Ich will, dass jeder auf Knopfdruck einsehen kann, bei welchen Medien wofür geschaltet wurde“, sagte Raab. Mit dem neuen Gesetz sollen Inseratenschaltungen bzw. Medienkooperationen künftig ab dem ersten Euro der Medienbehörde RTR gemeldet und veröffentlicht werden. Ab 5.000 Euro pro Rechtsträger und Quartal müssen künftig auch die geschalteten Inserate bzw. Sujets oder Spots bekanntgegeben werden. Auch werden die Meldepflichten um weitere Werbeformen – etwa Soziale Medien, Plakate und Kinowerbung – ergänzt.
Die Nachweispflichten der öffentlichen Stellen steigen mit dem für Werbung eingesetzten Steuergeld an. „Je mehr Steuergeld eingesetzt wird, desto schärfer sind die Berichtspflichten“, so Raab. Für jede Kampagne mit einem Volumen von mehr als 150.000 Euro muss künftig ein Transparenzbericht vorgelegt werden, der etwa über das Informationsbedürfnis, die Inhalte der Kampagne, Ziele und Zielgruppen aufklärt. Übersteigt die Kampagne 750.000 Euro müssen künftig die Ergebnisse einer Wirkungsanalyse veröffentlicht werden. Damit soll ersichtlich sein, wie treffsicher die definierten Zielgruppen und die Kommunikationsziele von der Kampagne auch erreicht wurden.
Bisher sind Inserate bis zur „Bagatellgrenze“ von 5.000 Euro wie auch Schaltungen in nicht periodischen Medien von der Meldepflicht ausgenommen. Schätzungen gehen von rund einem Drittel des gesamten Werbegeldes aus, das durch die „Bagatellgrenze“ und der Lücke bei nicht periodischen Medien einer Veröffentlichungspflicht entgeht. Auch werden die Daten derzeit vierteljährlich in der sogenannten Medientransparenzdatenbank äußerst undurchsichtig aufbereitet und müssen nach zwei Jahren gelöscht werden, was eine strukturierte Auswertung erschwert. All das soll künftig der Geschichte angehören. Auch kündigte die Regierung an, die Strafhöhen für Nicht- oder Falschmeldungen auf 60.000 Euro zu erhöhen. Im Wiederholungsfall sind 100.000 Euro fällig.
Nicht kommen wird dagegen eine Obergrenze für Inseratenschaltungen. Man wolle öffentliche Stellen im Krisenfall nicht beschneiden, hieß es. „Ein Inserat ist nichts Anrüchiges“, so Raab. Wann das neue Medientransparenzsystem angewandt wird, ist noch unklar. Es ist eine Notifizierung durch die EU-Kommission nötig.
Die Regierung plant zudem, das Medienförderungssystem um einen Topf zu erweitern, der auf den Print- und Onlinesektor abzielt. Die neue Förderung ist mit 20 Millionen Euro dotiert und umfasst mehrere Schwerpunkte. So orientiert sich eine neue Journalismus-Förderung an der Anzahl angestellter Journalisten nach Kollektivvertrag, der Anzahl von Auslandskorrespondenten und Rahmenbedingungen wie einem Redaktionsstatut, einem Fehlermanagement-System oder Frauenförderplänen, die die journalistische Qualität steigern sollen. Ausgeschüttet wird sie unabhängig von Erscheinungsweise und Verkaufsmodell. Auch reine Online-Medien, Straßen- und Gratiszeitungen erhalten Förderung, sofern sie die Kriterien erfüllen. Um von Blogs abgrenzen zu können, müssen zumindest drei Journalistinnen oder Journalisten angestellt sein. Auch werde es Ausschlussgründe bei Hetze oder beispielsweise Demokratiegefährdung geben, sagte Maurer.
Ein weiterer Schwerpunkt der neuen Medienförderung ist eine Inhaltsvielfalt-Förderung. Diese fördert Medien, die besonders viel über regionale Ereignisse oder die EU und internationale Themen berichten. Auch wird die bestehende Förderung von Aus- und Weiterbildungen erhöht und erstmals die betriebsinterne Ausbildung etwa in Form von Lehrredaktionen gefördert. Die Förderung von Unterricht an Schulen zur Erhöhung der Medienkompetenz stockt die Regierung ebenfalls auf. Die bestehende Unterstützung für Presseclubs oder auch Selbstkontrolleinrichtungen wie den Presserat bleiben bestehen. Auch hier ist eine Notifizierung durch die EU-Kommission nötig. Die Regierung konnte daher nicht beantworten, wann die neue Medienförderung erstmals ausgeschüttet wird.
Der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) hob in einer ersten Reaktion die Bemühungen der Bundesregierung, für mehr Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Kommunikationsbudgets zu sorgen, als „grundsätzlich positiv“ hervor. Gleichzeitig wird jedoch kritisiert, „dass es nach wie vor keine Vorgaben hinsichtlich diskriminierungsfreier Vergabe und kein effektives Sanktionssystem gibt, sowie dass Medienanbieter, die keine redaktionellen Mindeststandards einhalten wie z.B. Social Media oder Sharing-Plattformen, weiterhin mittels Medienschaltungen unterstützt werden“. Dass die neue Medienförderung auf den Print- und Online-Sektor abzielt, beurteilt der VÖP ablehnend und befürchtet Wettbewerbsverzerrung. Eine neue Medienqualitätsförderung sollte vielmehr allen Mediengattungen offen stehen, regte der Verband an. Ist der Rundfunksektor ausgenommen, fordert der VÖP eine gleichzeitige Verdoppelung des Privatrundfunkfonds.
Für den Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) beinhaltet das Medienpaket der Bundesregierung zahlreiche positive Aspekte. „Dass die Medienförderung künftig ausgebaut und erhöht wird, ist zu begrüßen“, heißt es in einer Aussendung. Bei der heute präsentierten neuen Schwerpunktsetzung bewertet der VÖZ „insbesondere das klare Bekenntnis zur Stärkung des unabhängigen Qualitätsjournalismus sowie die Förderung einer regionalen Berichterstattung“ positiv. Eine tiefer gehende Beurteilung der geplanten Maßnahmen und eine Einschätzung ihrer Auswirkungen auf den Medienstandort seien jedoch aufgrund „der allgemein gehaltenen Formulierung im Ministerratsvortrag“ aktuell noch nicht möglich.
Eine ambivalente Bilanz zog die JournalistInnengewerkschaft in der GPA: „Wir begrüßen die Erhöhung der Presseförderung und die neue Transparenz bei der Vergabe von Regierungsinseraten, die de facto Einstellung der Wiener Zeitung ist ein Angriff auf die journalistische Pluralität“, so Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA. NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter bezeichnete das Wegfallen der Bagatellgrenze sowie die erstmalige Einmeldung nicht-periodischer Medien als „einen wichtigen Schritt, der auf unseren Druck hin endlich umgesetzt wird.“
Auch SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried sieht in dem Papier einige Forderungen seiner Partei umgesetzt: „Die Abschaffung der Bagatellgrenzen und strengere Berichtspflichten“ seien zu begrüßen. Leichtfried betonte jedoch, dass letztlich zähle, was im Gesetzestext steht: „Es wäre nicht das erste Mal, dass Ankündigungen von Türkis-Grün und Gesetzestexte nicht viel miteinander zu tun haben.“ Dass es insgesamt mehr Geld geben soll, sei positiv. Transparenzberichte und Wirkungsanalysen müssten jedenfalls zeitnahe veröffentlicht werden.
Scharfe Kritik an der Novelle übte der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen: Dass der Text nun die seitens der Vereinigung vielfach vorgebrachte Idee, das Vorhandensein einer Wissenschaftsredaktion mit angestellten Fachredakteuren zum Förderkriterium für die Presseförderung zu machen, nicht aufgreife, trage „weder dem Forschungsstandort noch dem Abbau von Wissenschaftsfeindlichkeit Rechnung“. Die Politik setze hier „ein höchst problematisches Zeichen“. Darüber könne auch die Freude über den Nobelpreis für den Quantenphysiker Anton Zeilinger „nicht hinwegtäuschen“. Zeilinger hatte in der „Zeit im Bild 2“ am Dienstagabend die „Wissenschaftsskepsis als Problem“ bezeichnet, das auch darin begründet sei, „dass der Wissenschaftsjournalismus reduziert wurde. Es gibt viel weniger Wissenschaftsjournalisten und das ist nicht gut“.
Für die Klubvorsitzende Eva Stanzl sind Ideen „unsinnig“, den Wissenschaftsjournalismus durch Einzel- oder Projektförderungen aus dem Wissenschaftsministerium zu unterstützen. Schließlich werde „ja auch nicht Wirtschaftsjournalismus vom Wirtschaftsministerium oder Sportberichterstattung vom Sportministerium finanziert“. Die Bundesregierung schmücke sich gerne mit der Wissenschaft, angesichts der Novelle würden sich diesbezügliche Aussagen nun aber als „Lippenbekenntnisse“ erweisen.