Revoluzzer-Drama für starke Nerven

theaterzeit Freistadt: Fordernde Uraufführung von „Der verlorene Sohn“

So düster wie die Bühne ist auch das Geschehen.
So düster wie die Bühne ist auch das Geschehen. © www.buntbewegt.at/Loucaz Steinherr

Ein düsteres Stück auf einer düsteren Bühne. Frei nach Friedrich Schillers „Die Räuber“ und auf der biblischen Geschichte über zwei Brüder fußend, hat Regisseur Ulf Dückelmann im Rahmen des Festivals theaterzeit in Freistadt ein Werk über Rebellion, Familie, Liebe und Reue verfasst, das knallhart unter die Haut geht.

Sind doch Themen wie Anarchie, Freiheit, Moral, Krise und Scheitern aktueller denn je. Der Konflikt mit Autoritäten und die Ablehnung der bestehenden Ordnung führen zur Revolution, die einen Bürgerkrieg und den Untergang eines ganzen Familienimperiums verursacht.

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In die Gegenwart geholt

Dückelmann hat den Stoff in der Gegenwart angesiedelt, die Handlung rund um das angeschlagene Familienunternehmen Moor spielt in wirtschaftlich angespannten Zeiten. Unzufriedenheit und Angst prägen die Stimmung in der Bevölkerung. Da kehrt Karl, der Sohn des Patriarchen, nach einem Zerwürfnis mit dem Vater unerwartet und zum Ärger seiner geschäftsführenden Schwester Franziska nach Hause zurück.

Gewandelt vom idealistischen Gesellschaftskritiker zum berühmt-berüchtigten Anarchisten. Im Schlepptau seine Gesinnungsleute, die anders als bei Schiller weniger Räuber, sondern Verschwörer und Aufwiegler sind, bereit, das System gewalttätig zu stürzen. Die lokalen Politiker aber wollen weiterhin regieren und so spinnen insgeheim alle Figuren hinterlistige Intrigen, um auf Karls Kosten rücksichtslos die Macht an sich zu reißen.

Hervorragendes Ensemble

Das Theaterensemble bietet an diesem Abend eine hervorragende schauspielerische Leistung voll emotionaler Zerrissenheit der Charaktere, allen voran Till Bauer als desillusionierter Mörder Karl, Susanna Bihari als verzweifelte, frustierte Unternehmerstochter, Wolfgang Hundegger als ungerechter Patriarch und David Zimmering, der als Karls zwielichtiger Kumpan sogar über dessen Leiche gehen würde.

Der Regisseur stellt seine Protagonisten in der Freistädter Messehalle auf eine riesige endzeitliche Bühne, bedeckt mit Hackschnitzel und Kohlestücken als Symbol für die verbrannte Erde, die alle Figuren hier hinterlassen. In der Mitte aufgeschichtet ist ein riesiger Trümmerhaufen, der bis ins Wohnzimmer der Unternehmerfamilie reicht.

Ein Sinnbild dafür, dass nichts mehr funktioniert, weder bei den Moors noch auf der anderen Seite bei den Anarchisten und Politikern. Ständiger Nebel überzieht das Geschehen, die dubiosen Absichten der Akteure bleiben undurchsichtig und verschleiert.

Zur bedrückenden Musik des deutschen Komponisten Max Richter und des US-Singer-Songwriters Calvin Russell nimmt der Untergang konsequent seinen Lauf, unterstützt wird die Handlung durch Videosequenzen, die das Leiden und den Irrsinn der Protagonisten in Nahaufnahmen groß in Szene setzen.

Knapp drei Stunden lang dauert die packende Tragödie um den vergeblichen Versuch die Welt zu retten. Am Ende braucht das Publikum einige Zeit, um sich zu fangen, ehe die Premiere vor ausverkauftem Haus mit Standing Ovations doch noch gut ausgeht.

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