Romantische Revolution im Elfenbeinturm

Premiere Schloss Tillysburg: „Vier Stern Stunden“, Komödie von Daniel Glattauer

„Das Highlight aller Highlights, die kulturelle Sternstunde“ überschlägt sich der frischegebackene Juniorchef eines Nobelhotels, als er den Star des Abends, Literaturgott Frederic Trömerbusch, ankündigt. Daniel Glattauer (geb. 1960, „Gut gegen Nordwind“, „Wunderübung“) selbst auch gefeierter Schriftsteller, verfasste 2018 die Komödie um einen Starautor. Premiere feierte „Vier Stern Stunden“ am Mittwoch mit dem großartigen Ensemble um Intendant und Regisseur Nikolaus Büchel bei schönstem Wetter im barocken Innenhof von Schloss Tillysburg.

Das seit Generationen familieneigene Viersternehotel veranstaltet alle Jahre die traditionellen „Sternstunden“ in Anwesenheit eines „großen Namens der Kulturszene“. Kulturjournalistin Mariella Brehm, Urgestein ihres Genres, schwärmt lebenslänglich für diesen Autor, kennt sein millionenfach verkauftes Oeuvre nahezu auswendig, und fiebert der Begegnung entgegen. Der lässt sie zunächst auflaufen, spöttelt über die Adorantin, zieht gleichermaßen elegant wie arrogant her über Leser und den Literaturbetrieb schlechthin.

Während einer Strompanne stiehlt er sich kurz ins Hotelzimmer zu seinem Gspusi, einer sehr jungen, nicht minder selbstverliebten, Bloggerin.  Mit wenigen Handgriffen wandelt sich das Lesepult zum Hotelbett. Regisseur Nikolaus Büchel gestaltet auch das Bühnenbild vor der einzigartigen Fassade von Schloss Tillysburg.

Großartiges Ensemble

Der in die Jahre gekommene Schriftsteller spitzt auf ein zärtliches Intermezzo. Die Bloggerin aus der Millennial Generation hingegen steht auf „schnellen Sex ohne zehnstufiges Aufbauprogramm“. Statt seiner Kleider legt er die Überheblichkeit ab: „Ich bin doch keine 50 mehr“, und verfügt sich frustriert wieder zum Interview mit der Moderatorin.

Der reicht mittlerweile das Gehabe des präpotenten Scheusals. Im verbalen Zweikampf kommen sich die beiden näher. Sein generelles Lamento über den Kunstbetrieb muss er aber durchziehen. „Hochkultur dient der Verdauungsförderung, insbesondere die Literatur“. Der übergeordnete Autor legt es ihm in den Mund.

Samuel Schwarzmann überzeugt als Hotelerbe, der den verfallenden Elfenbeinturm seiner Vorfahren insgeheim verabscheut und eigentlich für Fußball schwärmt. In Bloggerin Lisa findet er eine Gleichgesinnte. Miteinander trauen sie sich zu, den Betrieb umzukrempeln.  Als Lisa gibt Chiara Larson in Diktion und Gehabe die Prototypin ihrer Generation.

Peter Raffalt als Starautor führt ein künstlerisches Ekelpaket vor, zynisch, feingeistig und wortgewaltig. Kristina Bangert als Journalistin bricht seine dahinter liegende Unsicherheit auf.  Die in allen Gefühlslagen souveräne Frau beeindruckt als schwärmerische Moderatorin wie als Zornige, die dem Star nicht nur verbal Paroli bietet bis zur Traumfrau mit Chance für einen Neubeginn.

Gespickt mit Bonmots

Gespickt mit Bonmots geht das pausenlose 90-minütige Stück in einer szenischen Konstruktion von einem gemischten Doppel ins Nächste. Timing und Pointen sitzen perfekt.

Glattauer argumentiert pointiert samt Gegenpositionen zum überalterten Kulturschnöseltum versus Reichweitengeilheit auf Social Media. Im Finale hebt er ab zu bezaubernd romantischen Sternstunden für seine vier Protagonisten. Im großen Schlussapplaus schwingt die Ahnung einer prosperierende Zukunft der Protagonisten und des allgemeinen Kulturbetriebs mit. Ein feines Sommervergnügen, klug, romantisch und sehr vergnüglich. Sehenswert.

Die mobile Version verlassen