Sauberkeit! Sicherheit! „Celebration (Florida)“ am Landestheater Linz

Junges Theater: Uraufführung von Felix Krakaus Stück in der Studiobühne

Das Pärchen (Alexandra Diana Nedel, Hubert Chojniak) ist glücklich in Celebration. Hat glücklich zu sein! Oder sehen das aufmüpfige Jugendliche anders?
Das Pärchen (Alexandra Diana Nedel, Hubert Chojniak) ist glücklich in Celebration. Hat glücklich zu sein! Oder sehen das aufmüpfige Jugendliche anders? © Petra Moser

Sauberkeit ist immer nur schlecht verborgener Dreck. Sauber ist in der modellhaften Kleinstadt Celebration in Florida alles. Die Dächer in einer von fünf vorgeschriebenen Pastellfarben gestrichen, der Rasen immer ordentlich geschnitten.

Sauber sind auch die Bewohner von Celebrate. Kein Alk, kein Rauchen, kein Grillen. Sex? Maximal „Verabredungen“. Schwimmen im See selbstredend verboten. Wozu sonst hat der Mensch den Swimmingpool erfunden?

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Der Preis der Idylle

Celebration hat ein reales Vorbild, erschaffen 1994 von der Walt Disney Company in der Nähe des Walt Disney World Resort in Florida. Celebration sollte das Beste aus US-amerikanischen Kleinstädten vereinen. Die Sauberkeit, die Sicherheit, die Gemeinschaft, alle sind „Familie“. Die perfekte Idylle hat ihren Preis, die Bewohner unterwerfen sich einem 70-seitigen Regelwerk.

Autor Felix Krakau, 1990 in Hamburg geboren, weiß um das Fragwürdige einer fast vollkommenen Idylle. Krakau lässt einen monströsen Schatten auf Celebration fallen, ein Gemetzel an einer Familie. Wer war der „Disney-Mörder“? Eine geifernde Medienmeute fällt über Celebration her, während kleinstädtischer Tratsch den toten Familienvater selbst ins Zwielicht rückt. Eifersucht, Drogen, Schulden?

Langeweile & Massaker

Uraufführung von „Celebration (Florida)“ war am Sonntag in der Studiobühne des Linzer Landestheaters. Das Stück spannungsarm, die Story ist schnell klar, die eindrucksvoll skizzierte Idylle wird rasch den Bach runtergehen. Dass „Celebration (Florida)“ trotz Vorhersehbarkeit prächtig unterhält, liegt an der ideenreichen Inszenierung von Mechthild Harnischmacher und der Spielfreude der Akteure des Landestheater-Schauspielstudios.

Das Massaker nur der sichtbare Kipppunkt, die Bruchlinien schon vorher zu ahnen. Vivian Micksch tritt auf mit Zepter, wie eine Königin. Hält Vorträge über die Segnungen von Celebration. Mild, gütig und zustimmend lächelt die „Townmanagerin“, wenn sich die Bewohner brav an die Regeln halten. Wenn sie aber später der Pressemeute ein „Leckt mich doch“ entgegenschleudert — huch, welche Aggressionen lauern in der stets kontrollierten, professionellen Frau?

Verleugne dich selbst!

Hubert Chojniak und Alexandra Diana Nedel suchen als junges Paar ihr Glück in Celebration. Überangepasst an den American Dream, verleugnen sie als polnische Zugewanderte ihre Sprache: Hier spricht man deutsch (bzw. englisch)! Das regelkonforme Dasein langweilt bald enorm, einen Ausweg sucht das Paar im Kinderwunsch. Bloß, wie dumm, die Natur funkt drein, das Kinderkriegen klappt nicht.

Kevin Bianco, Jonas Hämmerle und Dana Koganova spielen drei Jugendliche, die von Revolte und Auswandern fantasieren. Doch haben sie die Schneid?

Wo doch alles so toll hier ist! Stella Lennert, die auch die bunten Kostüme (in Pastell) verantwortet, übersät die Bühne mit Watte. Darin ist das Leben in Celebration gewickelt, daraus drehen die Frauen in ihrer hausfraulichen Berufung Zuckerwatte en masse.

Böse Disney-Mäuse

Heiterer und sentimentaler Gesang auf wattierter Bühne, das Leben in Celebration ist nett wie ein Musical in den 1950ern. Vom Unheil künden Mickey und Minnie Maus (Koganova und Hämmerle). Erst haben sie einander noch maximal lieb („wie einen frisch gestrichenen Gartenzaun“), dann werfen sie sich schwarzhumorige Gehässigkeiten an den Kopf. Die dunkle Seite von Disneys heiler Welt, Gottfried Helnweins düstere „Mickey Mouse“-Porträts sind da nicht fern.

Das Haus der dahingemetzelten Familie wird schließlich mit frischer Farbe übermalt (natürlich Pastell), manchmal sind auch simple Metaphern gut: So geht Vergangenheitsbewältigung, der stupide Traum vom Glück kann weiterleben.

100 Minuten (ohne Pause) als brutale, auch platte Warnung vor dem vollkommenen Glück. Heftiger Applaus, das Stück läuft bis 21. Juni.

Von Christian Pichler

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