„Seltsames soziales Experiment“

„The Bubble“: Doku über die größte Pensionistensiedlung der Welt

Jeder macht, worauf er Lust hat: Trommelkurs im Village
Jeder macht, worauf er Lust hat: Trommelkurs im Village © Catpicx/Golden Girls

Florida ist bekanntlich der Alterssitz für viele Senioren in den USA. Was für ein „Staat im Staat“ hier entstanden ist, zeigt die Wiener Filmemacherin Valerie Blankenbyl in ihrer 90-minütigen Doku mit dem bezeichnenden Titel „The Bubble“. In den Villages, der größten Pensionistensiedlung der Welt, leben heute 150.000 ältere Menschen abgeschottet von der Außenwelt in einer idyllisch anmutenden Blase.

Die Häuschen wie auf dem Reißbrett aneinandergereiht, der Rasen immer frisch gemäht. Davor ein großer Schlitten und ein Golfwägelchen. Immerhin gibt es 55 Golfplätze auf dem Gelände, zudem 70 Swimmingpools und 96 Freizeitzentren. Jeder tut hier, wozu er Lust hat, alle sind älteren Semesters, niemand aus einer anderen Generation schaut einen schief an: Die Damen gehen Bauchtanzen, wedeln als flotte Cheerleaderinnen mit Pompons und bilden beim Wasserballett mit ihren Körpern elegant eine Blume.

Ein riesiger Bespaßungsapparat, ein Kindergarten für Senioren. Und ein riesiges Unternehmen, das von einer Familie aus der Gegend aus dem Boden gestampft wurde, der Gründer begegnet einem als Statue. Viele der Damen und Herren gehen gern schießen, der Großteil der Bewohner ist weiß, Trump-Anhänger und hat „etwas mehr“ Geld.

„Ein Altenheim ist ein Ort zum Sterben, hier bekommt man zehn Jahre geschenkt. Ich war noch nie so aktiv wie hier“, sagt eine Bewohnerin. Und eine andere: „Wenn Rettungsautos aufs Gelände kommen, schalten sie die Sirenen ab, sonst würde man sie den ganzen Tag hören“. Man will in seiner Lebenslust ja nicht gestört werden.

Und dann wird´s unheimlich: Ein Pastor predigt, wie schön es hier doch sei. Aus Lautsprechern an Straßenlaternen tönt das Programm des siedlungseigenen Radiosenders, auch eine eigene Zeitung gibt es und viele Regeln, damit alle „sicher“ sind. Man wird überwacht und abgeschottet. „Gehirnwäsche“ nennt es eine Expertin, die von einem „seltsamen sozialen Experiment spricht“.

Während die Villages ständig weiter wachsen, leidet nicht nur die Natur, sondern auch die Menschen, die davor schon da waren. Viele kämpfen gegen eine weitere Ausbreitung der Anlage, die derzeit 142 Quadratmeter einnimmt. Der Wasserverbrauch etwa ist so groß, dass das ausgetrocknete Erdreich schon unter manchen Häusern eingebrochen ist.

Das alles kümmert die Bewohner wenig, viele scheinen gar nichts davon zu wissen: „Another day in paradise“, steht auf einem Golfwagerl. „Wir wollen unser Leben bis zum Ende leben“, sagt jemand trotzig.

Von Melanie Wagenhofer