„Silent Lovers“ beim ImPulsTanz: Ein Abend voller Po-Esie

Drei der Popo-Nenten des Abends © APA/ImPulsTanz/Atila Vadoc

Ein Abend mit Mundknebel und Butt-Plug, der doch über weite Strecken überraschend sanft und po-etisch samt Stringtanga daherkommt. Luca Bonamore, einer der aufsteigenden Sterne am Choreografiehimmel, hat am Sonntagabend im Rahmen des ImPulsTanz seine jüngste Choreografiearbeit „Silent Lovers“ im Schauspielhaus vorgelegt. Es ist ein wortloser und doch sprechender Abend des jungen Künstlers, dessen Gesicht im Vorjahr das ImPulsTanz-Plakatsujet zierte.

Am Beginn stehen uniformierte, entindividualisierte Gestalten mit nacktem Po, die sich zum verzerrt-gesummten Gershwin-Song „The Man I Love“ des Pianisten gebeugt auf die Bühne schleppen. Sie sind mittels dunkler, gesichtsverdeckender Langhaarperücken zwischen Sisi, Conchita und Lipizzaner-Schweif positioniert. Gerade mit der Pferdeassoziation greift Bonamore, der seine Karriere in queeren Clubs unter dem Pseudonym Pornamore starte, die Bildsprache seiner Vorjahresarbeit „Lamentation“ im Rahmen des Nachwuchsfestivals Rakete wieder auf, wobei die Trensen, äh Mundknebel der Darsteller hier den Kreis schließen.

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Es ist die Ästhetik der Cruisingszene, derer Bonamore sich bedient, während er neben seinen Darstellern auch selbst auf der Bühne steht. Und doch nimmt der gebürtige Römer die angesichts dieser Ikonografie zu erwartende Härte aus den Konstellationen. Die Langhaarperücken fallen, die Menschen kommen zum Vorschein und dürfen sich einander zuwenden. Zu Schuberts „Winterreise“ entfaltet sich ein vorsichtiger Pas de deux auf Distanz, ein achtsames Umkreisen, ein neckisches Spiel mit Spiegelungen und Gegenläufigkeiten wird zur Metapher auf den Geschlechtsakt, zum sanften Duett. Ein liebes Spiel. Mehr Schmusen als Cruisen.

Auch auf die härtere Gangart versteht sich Bonamore – und bedient aber auch diese nur scheinbar. Die folgende Sequenz, in der sich drei Akteure körperlich annähern, bleibt doch im symbolhaften, beinahe akrobatischen Rahmen. Bis ein weißgewandeter Engel im Schummerlicht des Darkroom erscheint und Bonamores Figur auserwählt. Der Himmelsbote lässt dem Meister des Abends auf offener Bühnen zwar einen Butt-Plug, damit aber noch nicht den Schlusspunkt des Abends setzen. Schließlich steht hier ein gemeinsamer Rave als Katharsis.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

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Luca Bonamore: „Silent Lovers“ im Rahmen des ImPulsTanz im Schauspielhaus, 1090 Wien. Mit Iris Omari Ansong, Luca Bonamore, Theo Emil Krausz, Simeon Ohlsen und Michael Voit. Musik: Simeon Ohlsen, Licht: Leo Kuraitė. Weitere Aufführungen am 5., 6. und 11. August. impulstanz.com