Sinnliches Erlebnis mit Nachklang

Mit Bruckner Orchester und seiner ersten Gastdirigentin Giedré Slekyté

Gastdirigentin Giedré Slekyté begeisterte im Brucknerhaus.
Gastdirigentin Giedré Slekyté begeisterte im Brucknerhaus. © Winkler

Man könnte noch lange schwärmen von der ersten Gastdirigentin des Bruckner Orchesters, Giedré Slekyté, in dessen eigener Konzertreihe im Brucknerhaus. Der aus Litauen stammende Pultstar (34) kannte schon aus zweimaligen Dirigaten das Orchester und liebt es wegen seiner Spontaneität und seines Einfühlungsvermögens. Das war auch diesmal ganz deutlich zu hören und zu spüren in einem Programm mit Werken aus dem 20. Jahrhundert von Komponisten wie dem Ungarn Béla Bartók und Bohuslav Martinu aus Böhmen, denen die nationalsozialistischen Kriegswehen schöpferisch arg zusetzten, die aber heute als bedeutende Repräsentanten in der Musikliteratur gelten.

Belastet also mit einem gleichen Schicksal, aber einer der unterschiedlichen Musikethnologie verpflichtenden Bewältigung. Die Heimat zurückgelassen, von starkem Patriotismus erfüllt, lebten und bewiesen sie ihre schöpferische Durchschlagskraft.

Bartók schrieb seine beauftragte Tanz-Suite für Orchester 1923 aus Anlass des 50- jährigen Jubiläums der 1873 vereinten Hauptstadt Budapest. Ein politisches Statement, dessen Aufführung ihn aber nicht zufriedenstellte. Trotzdem bekam das Zweckwerk seine Bedeutung als eine Wende in seinem Schaffensprinzip, huldigt es noch ganz der Synthese von Volks- und Kunstmusik. Sechs kurze Sätze, eine formvollendete Komposition, verbunden durch ein Ritornell ungarischen Charakters. Alle Menschen sollten zu Brüdern werden – typisch für die Beethoven-Liebe Bartóks.

Qualitätsbeweis für das Bruckner Orchester

Wie verwandelt sein viel zu wenig gespieltes Bratschenkonzert aus seiner Spätzeit in Amerika, 1945 bestellt von dem schottischen Bratschisten William Primrose, nur bis zum Particell gediehen und von Tibor Serly fertiggestellt, da 1945 auch zum Todesjahr Bartóks wurde.

Das vollendete Wunderwerk ist ja fast nicht zu bewältigen. Nicht so für den illustren Gastsolisten aus Paris Antoine Tamestit (43), dessen französische Herkunft nur sein Vorname verrät. Mit der Partitur nur im Kopfe ließ er völlig ohne den stolzen Habitus herrischer Überzeugungskraft den Bogen über die Originalviola aus 1672 so unbegreiflich virtuos tanzen, wie man dies selten erlebt.

Dass er für eine Bartók-Zugabe Benedict Mitterbauer aus dem Bruckner Orchester als Viola-Duopartner zu sich holte, mehr brauchte es nicht für den Qualitätsbeweis unseres Klangkörpers.

Dazu war nach der Pause Gelegenheit in Bohuslav Martinus zauberhafte Sinfonie Nr.4 aus 1945, ein häufig gepflegtes Opus des genialen Melodikers, der ähnlich Bartók hier auf folkloristische Melodien mährischer Herkunft aus Sehnsucht nach der Heimat zurückgriff. In Frankreich lebend, verließ Martinu nach der deutschen Invasion 1940 Frankreich und kam nie mehr in die Tschechoslowakei zurück. Als US-Staatsbürger ist er in der Schweiz 1949 verstorben.

Fazit des Abends: Bescheidenes Dienen der Musik, Gedenken an Leid und Freud von Künstlerleben.

Von Georgina Szeless

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