Lia Larrea stammt aus Ecuador, als Künstlerin kommt sie in der Welt herum. Eine Herausforderung, sagt Larrea, sich immer wieder neu einzustellen auf die Orte, auf die Menschen.
Doch was eint alle Menschen? — Der Atem! „Breath“ heißt die Arbeit, die den Besucher mitten in der Ausstellung BestOFF 22 für andere und sich selbst sensibilisiert. Atem als verbindendes Element zwischen den Menschen, Atem fühlbar gemacht, Atem optisch übersetzt als Muster auf Tüchern.
„Jeder atmet, das ist sehr universal“, sagt Larrea, die auf einem Video eine eigene Atemmeditation anbietet: den Kopfhörer aufgesetzt, „kommuniziert“ der Atem des Besuchers mit Tonaufnahmen des Atmens. Der Besucher begreift sich als atmendes Wesen, atmet langsamer, bewusster. Das hat erwiesenermaßen auch heilende Wirkung.
Mensch quillt über
Enorm vielfältiger künstlerischer Ausdruck bei diesem BestOFF der Linzer Kunstuniversität, ein erfrischender und in jeder Hinsicht interessanter Kunstbrunnen. Wollte man ein Hauptthema herauskletzeln, so könnte das in krisengeblähter Zeit die Frage sein: Was ist der Mensch?
Olga Shcheblykina aus der Ukraine, ausgebildet in grafischem Design, wechselte bereits 2020 ziemlich radikal ihre Kunstrichtung: „That´s not us“ (Das sind wir nicht) eine Serie von expressiven, fast abstrakten, farblich und stofflich überquellenden Porträts, nahe noch an klassisch-moderner Malerei. Isolation infolge von Corona war ein Anlass, der Krieg in der Heimat verschärfte Fragen nach Gewalt – insbesondere an Frauen – und Schutz, nach Vergänglichkeit (Natur) und Erinnerung (Kultur).
Gewiss ein Trend dieser Exponate: Obwohl oft von ästhetischem Reiz, interessiert bloß „schöne“ Kunst kaum noch. Die Welt wird hereingelassen, in ihren Grautönen, ihrer Nutzlosigkeit, ihrer Pracht. Der Humor eine Kategorie wie in Beate Gatschelhofers „Sein und Tun“: Zu sehen Kabel und Steckdosen, bei näherer Betrachtung die Kabel aus Porzellan und Steckdosen aus Holz gefertigt. Witzige Fakes von Technik, die in Kunstausstellungen oft schamhaft verborgen werden, wie die Künstlerin aus der Steiermark erläutert: „Hier sind sie zentral in der Ausstellung, wo sie stören.“
104 Arbeiten wurden für dieses BestOFF eingereicht, eine Jury wählte 37 aus, 31 davon stammen von Frauen. Das ist gut so. Melanie Moser nähte für „Raumanzug“ ein Jahr lang ebensolche, suchte Menschen in ihren Behausungen auf, ließ sie sich die Kostüme aus Jersey überstülpen und fotografierte. Isolation und Verfremdung, zwischenmenschliche Verhältnisse neu betrachtet, das traute Heim neu definiert. Lisa Reiter hinterfragt in „I never broke my leg“ (Ich brach mir nie das Bein) Geschlechterrollen, Schwimmnudeln und Kabelbinder umgeformt zu X- und Y-Chromosomen: So fix wie ein Gips schnüren die Kabelbinder männlich/weibliche Korsette ein.
Blut und Hirn
Eine zentrale Installation im Kunstuni-Gebäude Ost von Hanna Sheu: Die Linzerin arbeitete in der Krebstherapie, betreibt eine Praxis für Schönheitschirurgie. In ihrer „Blut-Hirn-Schranke“ nimmt sich Sheu eines Skandals in diesem Land an: Erst seit 1. September dieses Jahres ist es homosexuellen Menschen gestattet, Blut zu spenden. Eine Diskriminierung reinsten Wassers, jahrelang auch von liberalen Parteien gestützt.
„Man darf Leute nicht ausgrenzen, des geht gar ned!“, erklärt Sheu. Als Künstlerin reagiert sie auf amüsante und bunte Weise. Aus 30 Beuteln für die Bluttransfusion tropfen Acrylfarben des Regenbogens auf ein großes Blatt Papier. Ein Bild entsteht, Besucher sollen keine Scheu vor „medizinischem“ Gerät zeigen: „Ich hab nix dagegen, wenn sie hingreifen. Das is ja keine heilige Kuh da.“
Von Christian Pichler