steirischer herbst auf FPÖ-Spurensuche in Knittelfeld

Jörg Haider 2002 in Knittelfeld © APA/Roland Schlager

Viel aktueller hätte die diesjährige Produktion des Theaters im Bahnhof für den steirischen herbst thematisch kaum ausfallen können. Mit „Spiel mir das Lied von Knittelfeld oder die Pubertät der FPÖ“ begibt sich das Grazer Kollektiv auf Spurensuche nach dem Phänomen des jüngsten Erfolges der Partei. Als Spielort wählte man jenen Schauplatz, an dem die FPÖ mitten in ihrem bisher größten Höhenflug scheinbar zerbrach: das Kulturhaus in Knittelfeld. Am Sonntag war Premiere.

Dass jenes schicksalhafte Treffen der FPÖ, das in der Folge zur Abspaltung der Haider-Fraktion und zur Gründung des BZÖ führte, ausgerechnet in der tiefroten Hochburg Knittelfeld stattfand, mutet wie eine Ironie des Schicksals an. Folgerichtig startete der Theaterabend mit einer von einem echten, „roten“ Knittelfelder geführten Stadtrundfahrt. Der pensionierte Eisenbahner Max Grangl-Seitweger gab Einsichten in sein Leben und jenes der Stadt an besonderen Schauplätzen wie der Arbeitersiedlung Neustadt und der Lehrwerkstätte der ÖBB.

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Mit diesen Eindrücken ging es anschließend in den großen Saal des Kultur- und Kongresszentrums, wo sich der mythenumsponnene „Knittelfelder Putsch“ am 7. September 2002 abgespielt hat. Zwei Saaltechniker, ein alter einheimischer „Sozi“ (Rupert Lehofer) und ein junger Migrant (Zaid Alsalame) sind gerade dabei, den leeren Saal für die Jubiläumsinstallation einer anonymen Grazer Kunstgalerie herzurichten.

Die beiden Männer stehen zueinander in einem mehrfachen Spannungsverhältnis: unterschiedlicher persönlicher Hintergrund, Arbeitshierarchie, Generationenkonflikt. Das Publikum lernt die beiden durch innere Monologe kennen, die aus der Konserve eingespielt werden und die sich mit den Dialogen abwechseln. In letzteren entspinnt sich langsam und chronologisch der Ablauf des Knittelfelder FPÖ-Treffens. Lehofer gibt dabei den älteren Saaltechniker als mürrisch-trockenen Arbeiterschicht-Veteranen, Alsalame den in Sachen zeitgeschichtlicher österreichischer Politik logischerweise unbedarften Zuwanderer.

Vor dem geistigen Auge des Publikums entsteht ein unbehagliches Sittenbild der damaligen inneren Zustände der FPÖ. Haider, in der rückblickenden Erzählung nur als „er“ auftretend, wird bildhaft zum „König der Löwen“, seine Parteikollegen, ebenfalls anonymisiert („der Schöne“, der „Mittelscheitel“) werden als kuschende und jederzeit zum Cäsarenmord bereite Vasallen gezeichnet. Bildhaft tauchen die Politiker von damals als Übermalungen in den aufgehängten Kunstwerken der fiktiven Ausstellung auf.

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Die entscheidende Wende erhält das Stück, als der junge Arbeiter die Frage stellt, wo denn Kickl damals gewesen sei. Die Antwort „Der Herbert war nicht da“ führt zum Bild des damals noch in der zweiten Reihe stehenden Parteisoldaten, der zuhause in aller Ruhe ein Fußbad nimmt, während es seine Partei in Knittelfeld zerreißt und der Fall seines politischen Ziehvaters seinen Anfang nimmt.

In der Folge verwandelt sich der junge Arbeiter in Herbert Kickl. Im Zeitraffer, unter Zuhilfenahme von dessen markigsten FPÖ-Wahlslogans vollzieht sich die Reise in die Gegenwart. Am Ende steht symbolhaft wieder der König der Löwen. Der König ist tot, es lebe der König.

Dem Team des Theaters im Bahnhof gelingt es mit dem Stück, auf subtile Weise das Unbehagen über die FPÖ und ihren Chef aufrechtzuerhalten, das angesichts der bevorstehenden Regierungsgespräche in den Hintergrund zu rutschen droht.

(Von Andreas Stangl/APA)

„Spiel mir das Lied von Knittelfeld oder die Pubertät der FPÖ“. Mit Rupert Lehofer und Zaid Alsalame. Konzept und Regie: Ed. Hauswirth und Rupert Lehofer. Nach einer Idee von David Reumüller und Karl Stocker; Kulturhaus Knittelfeld. Weitere Termine: 26.10. und 2.11., jeweils 17.30 Uhr. Infos und Karten: steirischerherbst.at; theater-im-bahnhof.com