„Stromberger“: Bregenz erinnert an eine Widerstandskämpferin

Die Großkopferten in „Stromberger“ © APA/Vorarlberger Landestheater/Anja Köhler

Die Uraufführung eines Textes von Gerhild Steinbuch in der Inszenierung von Bérénice Hebenstreit hat am Samstagabend am Vorarlberger Landestheater viel Applaus und laut bekundete Zustimmung geerntet. Intendantin Stephan Gräve widmete sich mit dem Stück erneut einem zeitgeschichtlichen Thema, nämlich der Widerstandskämpferin Maria Stromberger (1898-1957).

„Man gewinnt den Eindruck, NS-Schwerverbrecher erhielten leichter wieder ein Standing als Personen, die Unfassbares durchgemacht haben“, erklärt die österreichische Autorin Gerhild Steinbuch im Gespräch mit der APA die Erfahrungen während ihrer Recherche. Ihr Text setzt konkret im Jahr 1991 ein, als der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) vor dem Nationalrat das Bekenntnis zur Mitschuld Österreichs an den Verbrechen in der NS-Diktatur als Maßstab für die Kultur im Land betonte. Nach in Bregenz uraufgeführten Stücken über die Malerin Stephanie Hollenstein (1886-1944) – im NS-Regime mehr als nur Mitläuferin – sowie über den Juristen, Schriftsteller und KZ-Überlebenden Max Riccabona (1915-1997) ist „Stromberger oder Bilder von allem“ keine dramatisierte Biografie, sondern weit mehr, nämlich ein besonderer Akt der Erinnerungskultur.

Die Figuren tragen die Vornamen der Schauspielerinnen Isabella Campestrini, Vivienne Causemann, Luca Hass und Rahel Jankowski. In Anlehnung an die Zeit nach dem Einsatz der Krankenschwester Maria Stromberger für die Widerstandsgruppe in Auschwitz sind sie Nachseherinnen in einer Textilfabrik, „kontrollieren das Gewebe auf Ungereimtheiten“, wie es im Text heißt. Dass dieser die historischen Tatsachen ebenso thematisiert wie die Recherche selbst und auch das gegenwärtige Erstarken von Rechtspopulisten sowie rassistisch motivierte Anschläge bleibt in der präzisen Handhabe der Regie transparent. Das ist höchst beachtenswert, so wie das sichere und rasche Agieren der vier Schauspielerinnen vor und im von Mira König entworfenen, einem Webrahmen nachempfundenen Kubus. Er ist ortsbezogenes Requisit und kompakte Projektionsfläche für Porträts historischer Personen.

Als Persönlichkeit der österreichischen bzw. europäischen Geschichte verlangen Schicksal und Taten von Maria Stromberger hier nach eingehender Beachtung. Seit dem 1. Februar dieses Jahres wird mit einer Gasse in Graz der Krankenschwester und Widerstandskämpferin gedacht. Um die Umbenennung der ehemaligen Kernstock-Gasse politisch in Gang setzen zu können, war die Expertise einer Historikerkommission notwendig. Schon vor Jahren stufte diese die Namensnennung als höchst problematisch ein, denn der Priester und Dichter Ottokar Kernstock war Rassist und geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus. Die Zeichensetzung für eine verantwortungsvolle Erinnerungskultur hat somit lange gedauert.

Das gilt auch für Vorarlberg, wo ein kleiner Pfad beim Landeskrankenhaus in Bregenz Maria-Stromberger-Weg heißt. Die Johann-August-Malin-Gesellschaft, benannt nach dem Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, hatte den Namen der Krankenschwester in die Öffentlichkeit getragen, ihr Wirken hat der Historiker Harald Walser im auch ins Polnische übersetzten Buch „Ein Engel in der Hölle von Auschwitz“ dokumentiert.

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Maria Stromberger stammt aus Kärnten und hat mehrere Jahre in einem Hotel und einem Gasthof in Graz gearbeitet, bevor sie in Bregenz eine Ausbildung zur Krankenschwester machen konnte. Im polnischen Chorzów, wohin sie sich als Spezialistin im Bereich der Infektiologie nach Informationen von verwundeten Soldaten über Verbrechen in der Wehrmacht versetzen ließ, „um zu sehen, wie es wirklich ist, und vielleicht etwas Gutes zu tun“, kam sie mit ehemaligen KZ-Häftlingen in Kontakt. Sie meldete sich für Auschwitz und trat 1942 den Dienst an. Dort besorgte sie unter anderem Medikamente für Häftlinge, beförderte Informationen und Waffen für die Widerstandsbewegung und kam deshalb, wie der Historiker Harald Walser im Gespräch mit der APA erläutert, oft in Bedrängnis. „Nicht nur vor der Lagergestapo hat sie aussagen müssen, auch von anderen Krankenschwestern wurde sie attackiert.“

Als angeblich morphiumabhängig nach Berlin abkommandiert zu werden, habe sie, so Walser, vermutlich gerettet, denn kurz vor der Befreiung des Vernichtungslagers durch die Rote Armee wäre sie wohl als Zeugin der Gräuel von der SS beseitigt worden. Es zählt zu den besonders bitteren Fakten der österreichischen Nachkriegsgeschichte, dass Maria Stromberger nach ihrer Rückkehr nach Vorarlberg mehrere Monate im Entnazifizierungslager neben NS-Tätern verbringen musste und erst nach der Intervention von ehemaligen Häftlingen aus Polen (unter anderem vom späteren Ministerpräsidenten Jozef Cyrankiewicz) bei den französischen Besatzungsbehörden freigelassen wurde.

„Die Tragödie vieler Widerstandskämpfer gegen das Dritte Reich spiegelt sich – was die Zeit nach 1945 anbelangt – wohl selten in einer Person so krass wie bei Maria Stromberger“, schreibt Harald Walser. Erst fast 30 Jahre nach ihrem Tod (sie starb 1957 in Bregenz) wurde ihre Geschichte in Vorarlberg überhaupt zum ersten Mal erwähnt, und zwar in Meinrad Pichlers Beitrag über „Humanitäre Hilfe“ als eine Form des Widerstands gegen die NS-Herrschaft im Buch „Von Herren und Menschen“. Basis für die Ausführungen waren die Erinnerungen des KZ-Überlebenden Hermann Langbein, den Gerhild Steinbuch in ihrem Stück ebenso erwähnt wie Edward Pyś, den Maria Stromberger in Auschwitz gepflegt hatte und mit dem sie brieflich von Bregenz aus in Kontakt blieb.

Als Krankenschwester zu wirken war ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich, sie war als Textilarbeiterin tätig und sagte 1947 in Warschau im Prozess gegen den Lagerkommandanten Rudolf Höß aus. Im nun uraufgeführten Stück wird ihrer Geschichte unter anderem auch die des Industriellen Rudolf Hämmerle gegenübergestellt. Der Dornbirner bekleidete im NS-Regime hohe Ämter und war in den 1960er-Jahren ÖVP-Abgeordneter zum Nationalrat.

(Von Christa Dietrich/APA)

„Stromberger oder Bilder von allem“ von Gerhild Steinbuch. Inszenierung: Bérénice Hebenstreit; Bühne und Kostüme: Mira König. Mit Isabella Campestrini, Vivienne Causemann, Luca Hass und Rahel Jankowski. Weitere Aufführungen am 5., 21. und 23. März sowie am 5. und 7. April am Vorarlberger Landestheater in Bregenz. landestheater.org

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