„The Death of Slim Shady“ – Eminem im alten Gewand

51-Jähriger auf neuer Platte in musikalischem Zwiegespräch mit der Kunstfigur, die ihm seine ersten großen Erfolge brachte

Nach gut 20 Jahren Pause ist Eminems berühmtes Alter Ego „Slim Shady“ zurück. Auf seinem neuen Album „The Death of Slim Shady (Coup de Grâce)“ tritt der 51-Jährige in ein musikalisches Zwiegespräch mit der Kunstfigur, die ihm seine ersten großen Erfolge brachte. Auch musikalisch wirft Eminem die Zeitmaschine an.

Kalkulierte Tabubrüche

Das zeigte sich schon im Video zur Vorabsingle „Houdini“, eine Hommage an das Musikvideo seines Hits „Without Me“ von 2002. Das Thema des Videos – wie würde der provokative „Slim Shady“ im Jahr 2024 ankommen – zieht sich auch musikalisch durch das Album. Etwa im Song „Habits“, in dem sich „Slim Shady“ nicht von Political Correctness beeindrucken lassen will und stattdessen Dinge rappt wie „All these pronouns I can’t remember. They or them, theirs? His or him, hers?“.

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Davon lässt sich Slim Shady auch von Eminem selbst im Zwiegespräch in „Trouble“ nicht abbringen und entgegnet ihm „You gonna cancel me, yeah?“. Immer wieder kommt es zu diesen Dialogen zwischen den beiden Charakteren, in denen klar wird, dass Eminem eigentlich versucht, sein Alter Ego loszuwerden, weil es nicht mehr zeitgemäß ist und mit seinen provokativen Texten Eminems Karriere zerstört. Der denkt aber gar nicht daran und übernimmt immer mehr die Kontrolle über Eminem, wie ein bösartiger Dämon.

Doch das Album ist nicht nur voll mit kalkulierten Tabubrüchen. Besonders heraus sticht „Temporary“, ein Song für seine Tochter Hailie. Und auch im letzten Song „Somebody Save Me“ richtet sich Eminem an seine Töchter und rappt über seine Medikamentenabhängigkeit und wie er deshalb seine Töchter im Stich gelassen habe.

Raptechnisch über jeden Zweifel erhaben

Raptechnisch ist Eminem auch mit diesem Album weiter über jeden Zweifel erhaben, und „The Death of Slim Shady (Coup de Grâce)“ ist auch stark von Dr. Dre produziert. Inhaltlich wirkt das Album zunächst wie ein großes Statement gegen den modernen Zeitgeist, „Cancel Culture“ und die Generation Z. Doch bei genauerem Hinhören wird klar: All das ist eine Metapher für seine Abhängigkeit. Wie gegen „Slim Shady“ kämpft er gegen sie an und kann aber nicht verhindern, dass sie die Kontrolle über ihn übernimmt und sein Leben zerstört.

Letztlich greift Eminem mit seinem zwölften Album sein altes Erfolgsrezept auf. Denn schon auf seinen Erfolgsalben „The Marshall Mathers LP“ oder „Encore“ standen Songs mit provokativen Texten wie „The Real Slim Shady“ oder „Just Lose It“ neben sehr ernsten Songs wie „Stan“ oder „Mockingbird“.

Am Ende trägt Eminem mit „The Death of Slim Shady (Coup de Grâce)“ nicht sein Alter Ego zu Grabe. Stattdessen rappt er zum Schluss über seinen eigenen Tod: „As they lower me in my coffin, I feel the tears all fallin‘ down on my cheek.“

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