Traurige Erfolgsgeschichte: Der Roman „Ein schönes Ausländerkind“

Kabarettistin Toxische Pommes erzählt über Kosten und Nutzen von Migration und Assimilation

Toxische Pommes: „Ein schönes Ausländerkind“. 208 Seiten, Zsolnay Verlag, 23,70 Euro © Hanser

Wenn eine Social-Media-Größe und Kabarettistin unter ihrem Bühnennamen Toxische Pommes einen Roman mit dem Titel „Ein schönes Ausländerkind“  veröffentlicht, weckt das gewisse Erwartungen.

Doch statt lockerer Bemerkungen über den Migrantenalltag, den man nur mit Humor nehmen kann, weil man sonst daran zu zerbrechen droht, erwartet einen eine wahrhaftige Auseinandersetzung über die Kosten von Entwurzelung und Neuanfang. „Ein schönes Ausländerkind“ ist eine schöne Überraschung.

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Ein Flüchtlingsmädchen, das es geschafft hat

Irina, die ihren Familiennamen nicht preisgeben möchte und im Alter von zwei Jahren mit ihren Eltern vor dem Jugoslawienkrieg nach Österreich flüchtete, hat es geschafft: Sie ist gut integriert, arbeitet als Juristin in Wien, hat eine große Fangemeinde auf TikTok und Instagram und tourt mit ihrem Kabarettprogramm „Ketchup, Mayo & Ajvar – Die sieben Todsünden des Ausländers“ durch das Land. Vom Start in ein zweites Leben in einer neuen Heimat erzählt ihr Debüt-Buch, von dem die Autorin betont, es sei keine Autobiografie, sondern ein autofiktionaler Roman.

Widersprüche und tragische Komik

Das Buch erzählt eine traurige Erfolgsgeschichte. Es ist voller offengelegter Widersprüche und tragischer Komik. „Was hat uns Österreich gekostet? Meinen Vater seine Stimme, meine Mutter ihre Lebendigkeit. Und mich? Meinen Vater“, lauten die letzten Sätze, die besonders zu Herzen gehen, wenn man sich erinnert, dass das Mädchen, das von ihrem Vater stets mit „mein Sohn“ oder „Söhnchen“ angesprochen wurde, ihn beim Aufwachsen lange als wichtigste Bezugsperson und engsten Freund empfunden hat. „Ein schönes Ausländerkind“ ist ein Coming-of-Age-Roman und die Geschichte einer zerbrechenden Vater-Tochter-Beziehung.

Die drei Familienmitglieder, die eines Nachts in Wiener Neustadt ankommen, beginnen ihr neues Leben aus sehr unterschiedlichen Startpositionen. Beide Eltern sind Akademiker, können aber nicht in ihren angestammten Berufen arbeiten. Die Mutter geht der Quartiergeberin als Putzfrau und Köchin zur Hand, der Vater begibt sich auf Arbeitssuche. Während seine Frau den anstrengenden Prozess der Nostrifizierung auf sich nimmt und schließlich einen guten Job in der Pharma-Forschung bekommt, richtet er bald seine ganze Energie nur nach innen: Er kümmert sich um den Haushalt und um das Wohlergehen der Tochter, die in der Schule zur Streberin und Vorzeige-Migrantin wird.

Je älter sie wird, desto mehr wird der sich liebevoll um alles kümmernde Vater als Belastung empfunden. Er hat keinerlei Sozialkontakte, spricht mangelhaft Deutsch und wird nur bei den sommerlichen Heimatbesuchen zu einer eigenständig agierenden, selbstbewussten Persönlichkeit. Als er schließlich auch noch beim Eltern-Kind-Wettschwimmen im Schwimmverein versagt, bricht es aus der Tochter heraus: „Warum gehst du nicht endlich nach Kroatien zurück“, schreit ihn die Tochter (auf Kroatisch) unter Tränen an, „Ich schäme mich für dich.“

Beim Staatsbürgerschafts- und Sprachtest versagt der Vater wider Erwarten nicht – wie ihm das gelingt, bleibt ein Familiengeheimnis. Aus den Migranten ist am Ende eine österreichische Familie geworden. Die Frage, ob es sich gelohnt hat, ist nicht eindeutig zu beantworten. „Ein schönes Ausländerkind“ stellt eine Gewinn- und Verlustrechnung an, die nichts zu verschummeln versucht. Ein Gewinn für die Leser ist das in jedem Fall.

Von Wolfgang Huber-Lang

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