Ungezügeltes Recht zu träumen

„Ich singe, weil ich ein Lied habe“: Konstantin Wecker (75) im Brucknerhaus

Konstantin Wecker
Konstantin Wecker © APA/EXPA/Sebastian Pucher

Ihn als Liedermacher zu bezeichnen, ist nicht genug, kann auf keinen Fall genügen für den Poeten, Sänger, Schriftsteller, Schauspieler und grandiosen Selbstdarsteller Konstantin Wecker, auch wenn er behauptet, die Lieder hätten ihn gesucht, seine Gedichte seien klüger als er, und seine Stimme hätte sich über ihn hergemacht. Dabei ist Passivität das Letzte, was man Wecker unterstellen könnte.

Mit Musik und Poesie für eine Welt ohne Waffen

„Es ist nicht in Ordnung, dass jemand regiert.“ Lebenslänglich wettert der kapitalistische Anarchist, aggressive Pazifist, angepasste Querdenker gegen alle Herrschenden, gegen Uniformen und Marschierer. Mit Poesie und Musik will er lebenslänglich für eine Welt ohne Waffen kämpfen. Er nimmt sich das Recht zu träumen. Man will es dem sanft klugen Poeten, dem Sänger mit dem einzigartigen Timbre, glauben.

Konstantin Wecker feiert seinen 75. Geburtstag auf der Bühne mit all jenen, die oft schon Konzerte mit ihm erlebten, inklusive traditioneller Aufspring- und Mitklatsch-Zugaben: „Questa nuova realta“ und „Buonanotte Fiorellino“. Einmal mehr füllte er am Donnerstag den Großen Saal des Brucknerhauses. „Ich singe, weil ich ein Lied habe“ gilt für ihn seit den frühen 1970ern.

Mit kritischer Ernsthaftigkeit blickt er zurück und nach vorne, einem sanften Ende entgegen, immer suchend nach dem Ich im Sein und Werden. Ein grandioser Selbstdarsteller. Die echt empfundene Tiefe seiner so oft verkündeten Parolen, seine so heftig aufbrausenden Emotionen, alles will man ihm glauben. Wer will sich nicht wie er selbst finden im edlen Widerstand gegen alle Obrigkeiten, um in bedingungsloser Liebe beglückt aufzustehen. Ach, Wecker!

Wecker führt chronologisch durch sein Leben, mehr als drei immer noch zu kurze Stunden voller „Wut und Zärtlichkeit“. Die großen Hits erwähnt er nur am Rande. Wichtiger scheint ihm das „Hexeneinmaleins“, inspiriert von Karl Orff oder eine Brecht-Vertonung, bei der allerdings klar wird, dass Wecker einfach nur Wecker ist, weil bei Brecht vor ihm schon Weill war.

„Manchmal weine ich sehr, aber das behalt’ ich für mich“, erzählt er seinen 1500 Gästen, die an seinen Lippen hängen, am Timbre seiner Stimme, sein Charisma suchen. Wenn er gegen Marschierer wettert, klatschen 1500 Fans zackig mit. Widersprüchlichkeit ist Teil seines Wesens. Selbst präsenter denn je, umgibt sich der unkaputtbare Bayer wie immer mit brillanten Musikern. Fany Kammerlander als Streicherin, Norbert Nagel an vielen Blasinstrumenten, sein lebenslänglicher Klaviervirtuose Jo Barnikel und Daniel Higler am Schlagzeug lassen auf der Bühne eine zahme, aber umso fettere Sau raus.

„Leben ist Brücken schlagen über Ströme, die vergehen.“ Weckers Brücke zum Publikum ist breit und führt pfeilgerade in die Herzen. Stürmischer Applaus und die Hoffnung auf etliche weitere so runde Geburtstage.

Von Eva Hammer

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