Utopien gegen zeitgeistige Dystopien

Literaturschiff bringt Lesung und Gespräch mit Ilija Trojanow in Aschach

Der Vorschussapplaus, als er die Bühne betritt, erheitert Ilija Trojanow, er hätte ihn ja noch gar nicht verdient, meint er. Am Dienstag las der gebürtige Bulgare in Aschach aus seinem neuen 500-Seiten-Roman „Tausend und ein Morgen“.

Eingeladen vom Literaturschiff, einem Verein, der seit 2020 hochtourig als Drehscheibe zwischen Erzählenden, Schreibenden und Lesenden agiert. Trojanow gibt sich mit allen Sinnen seinem persönlichen poetischen Widerstand hin. Heldin Cya wehrt sich weniger gegen ihren Untergang als gegen zeitgeistige Dystopien und apokalyptisches Massengeplärr.

Mit den Cronauten greift Cya auf ihren Zeitreisen in historische und künftige Ereignisse ein. Keine Utopie ist zu absurd, um nicht mögliche neue Perspektiven auf wurmstichige Systeme zu öffnen, deren ultimative Heilung aber nicht möglich scheint, denn wer weiß schon, an welcher Stelle der entscheidende Eingriff zu liegen hätte. Erzählerische Virtuosität und kühle Logik. Sinnliche Erfahrungen und scharfe politische Statements.

Gedanken gehen ins Hirn, Emotionen durch Mark und Bein. Es dauert jeweils nur kurz, bis die Leseabschnitte fesseln, bis man mit den Piraten der Karibik auf Masten klettert, in die Oktoberrevolution eingreift, in vergangenen Kriegen raubt und plündert oder in ein Indien der Zukunft gerät.

Nach mehr als 90 Minuten nimmt Trojanow den mehr als verdienten Applaus mit sichtlicher Freude entgegen.

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