„Eat the Rich“ – den markanten linken Politslogan könnte man mit „Or they’ll eat you“ ergänzen. Und dann ist man inmitten der Welt, die Daniel Hoesl und Julia Niemann in ihrem neuen Spielfilm „Veni Vidi Vici“ zeigen. In der bitterbösen Politsatire, die beim renommierten Indiefestival von Sundance Weltpremiere feierte, wird knallharte Kapitalismuskritik betrieben – oder besser Kritik an einer ignoranten Gesellschaft.
Laurence Rupp als skrupelloser Milliardär
Im Zentrum von „Veni Vidi Vici“ steht der Milliardär Amon Maynard (Laurence Rupp), der mit seiner Ehefrau Viktoria (Ursina Lardi) und den Kindern ein Leben wie aus dem Katalog führt. Es ist eine Welt, in der Begriffe wie „Soziale Ader“ negativ klingen, Phrasen wie der Wert der Familie als Bezugskonstrukt hochgehalten werden und das eigene Fortkommen ohne jegliche Rücksicht der einzige Götze ist. Leistung muss sich schließlich wieder lohnen.
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Als Erzählerin fungiert Paula (Olivia Goschler), die 13-jährige Tochter von Amon aus einer früheren Beziehung. Sie steht dem Herrn Papa in nichts nach, sondern überflügelt diesen in Skrupellosigkeit noch. Das konsequenzfreie Leben kulminiert darin, dass Amon leidenschaftlicher Jäger im Wiener Umland ist – wobei er nicht Tiere ins Visier nimmt.
Und doch ist diese Familie Maynard absurderweise nicht unsympathisch. Hoesl und Niemann schildern eine charmante Elite, die nicht rassistisch ist oder homophob. Weder stellt der Altersunterschied zwischen Amon und Viktoria ein Problem dar, noch ist die grundsätzliche Patchwork-Familienkonstruktion ein Thema. Zynisch ist diese Klasse lediglich im Hinblick auf ihren sozialen Status. Da lässt man auch Bedienstete, die doch vermeintlich schon beinahe zur Familie gehören, bedenkenlos über die Klinge springen.
In vielem erinnert „Veni Vidi Vici“ an Ruben Östlunds zivilisationskritische Werke wie „Triangle of Sadness“ oder zuletzt Emerald Fennells „Saltburn“, wenn auch mit einer reduzierten Dosis Humor. Das Regieduo hält das Geschehen stets im Grenzbereich aus fiktivem und doch authentischem Porträt einer Schicht und der leicht surrealen Metapher, mit der Verhältnisse zugespitzt werden.
Allgemeingültige Parabel auf unsere Zeit
Das Drehbuch stammt vom 1982 in St. Pölten geborenen Daniel Hoesl, wobei sein vierter Spielfilm eigentlich nichts Österreichisches hat – und das im positivsten Sinne. Ungeachtet kleinerer Anspielungen auf die heimische Lage wie die ins Straucheln geratenen Barta Batteriewerke oder so manche zumindest indirekt auf reale Vorbilder zurückführende Figur, durchweht „Veni Vidi Vici“ der Odem einer allgemeingültigen Parabel auf unsere Zeit und unser Wirtschaftssystem.
Insofern verkörpert das Werk eine beinahe aus der Mode gekommene Sozialkritik, die nicht auf identitäre Fragen abzielt, sondern konkrete Klassendebatten aufwirft. Hierbei bleibt sich Hoesl, der sich schon in „Davos“ oder „WINWIN“ mit unserem ökonomischen System beschäftigt hat, treu.
Dabei sind es letztlich nicht die Reichen, die Niemann und er auf die Anklagebank setzen, sondern eine mutlose Gesellschaft. Schließlich stellen sich weder ein zahnloses Recht, noch journalistische Recherchen oder gar die Zivilgesellschaft dem Treiben der Elite entgegen, die unter dem Motto „Eat the Poor“ lebt.
Von Martin Fichter-Wöß