Von künstlichen Ziegen und verloren gegangenen Algorithmen

Festival LINZ FMR startet im südlichen Hafenviertel

Du bist, was du trägst: Flagged für Explicit Image der !Mediengruppe Bitnik
Du bist, was du trägst: Flagged für Explicit Image der !Mediengruppe Bitnik © Super Dakota Brussels

Es muss kein Museum betreten, kein Online-Ticket gelöst, keine Warteschlange vor den Werken abgewartet werden: Das Festival für Kunst in digitalen und öffentlichen Räumen, LINZ FMR, bietet auch in seiner dritten Ausgabe niederschwelligen Zugang zu Kultur, diesmal im südlichen Hafenviertel der oberösterreichischen Landeshauptstadt. Am Dienstag (18 Uhr) wird gestartet, bis 11. Juni gibt es bei freiem Eintritt Kunst.

Die Künstlerinnen und Künstler aus den Bereichen Medienkunst, Digital Art und Internet Art haben Schauplätze wie das ehemalige Quelle/Woolworth/NORMAN-Kaufhaus in der Industriezeile, das hello yellow Velodrom by Schachermayer und den Kleingartenverein Linz-Ost auf insgesamt 100 Hektar in frei zugängliche Kunsträume verwandelt.

Die Vergänglichkeit der digitalen Gesellschaft

Grundidee des Festivals ist es, die Vergänglichkeit der digitalen und weltweit vernetzten Gesellschaft in künstlerischen Positionen zu reflektieren.

Wer sich um einen Job bewirbt, muss damit rechnen, dass das Facebook-Profil genau unter die Lupe genommen wird. Was so ein Algorithmus, der unsere Social-Media-Profile überprüft, herausfindet, trägt die !Medientruppe Bitnik — bestehend aus Carmen Weisskopf und Domagoj Smoljo — im wahrsten Sinne des Wortes nach außen, und präsentiert die „Ergebnisse“ auf Jacken und Tapeten.

Mit der potenziellen Frustration eines Kunstpublikums spielt Clemens Stöttinger, der einen QR-Code auf einer Fahne platziert, die permanent weht oder herunterhängt: ein Scannen des Codes wird unmöglich. Der Künstler sieht sein Werk auch als metaphorisches Symbol für den eigenen Frust über die COVID-19-Pandemie.

Um der immer stärker werdenden Mikromobilität auf den Grund zu gehen, bieten Dennis de Bel und Anton Linus Jehle Safari-Expeditionen durch Linz via E-Scooter an — entweder als geführte Tour oder auf eigene Faust. Gemeinsam soll die Kontrolle über den öffentlichen Raum zurückerlangt werden.

Den Himmel zum Weinen bringt die Künstlerin und Forscherin Marie-Luce Nadal, die in der Morgen- und Abenddämmerung mit einer selbstgebauten Armbrust aus Stahl und Büstenhalterdraht Schweiß und Schwefel in die Luft schießt und erinnert damit an ihre eigene familiäre Geschichte, in der Weinbauern die Niederschlagsmenge erhöhen wollten, indem sie die mikrophysikalischen Prozesse innerhalb der Wolken verändert haben.

Monica Studer und Christoph van den Bergen erzählen in ihrem „Wolfskind Project“ von einem lernenden Algorithmus, der Anfang der 1970er im Regenwald des Amazonas verloren ging, bei einer Gruppe von 68er-Aktivisten, nachdem sie ihn aufgezogen hatten, Kultstatus erlangte und schließlich in einer fiktiven Organisation für geheime Forschungsprojekte über digitales Bewusstsein landete. Mit diversen analogen und digitalen Medien wird das verschlungene Märchen beim Festival erzählt.

Mit Flüchtigkeit in den unterschiedlichsten Ausformungen und Präsentationsmöglichkeiten beschäftigen sich Studierende der Fachrichtung Mediengestaltung der Kunstuni Linz am FMR-Festival, und die Künstlerin TinTin Patrone gibt Besuchern die Möglichkeit, mit einem vierbeinigen Roboter auf Wanderschaft zu gehen und sich so das geheime Wissen der künstlichen Ziege anzueignen.

Alle Veranstaltungsorte, Programmpunkte und Informationen auf linzfmr.at

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