Weltmuseum widmet sich wechselvoller Geschichte der Kamele

Ausstellung zeichnet Geschichte der Beziehung von Menschen und Kameliden nach © APA/Weltmuseum Wien/Ibrahim Shaddad

„Einen neuen, innovativen Blick auf ethnografische Themen“ will man in der neuen Jahresausstellung im Weltmuseum Wien bieten: Mit der Schau „Auf dem Rücken der Kamele“ widmet man sich anlässlich des von den Vereinten Nationen ausgerufenen „internationalen Jahres der Kameliden“ der Geschichte und Zukunft von Kamelen, Alpakas & Co. – und ihrer Rolle in der Geschichte der Menschen. Ein bisweilen überraschender Rundgang, der in Nordamerika beginnt und in Europa endet.

„Kamele und Menschen gehören und gehörten zusammen. Wir stellen aber auch die Frage, ob und wie diese Beziehung in Zukunft bestehen wird“, erläuterte Weltmuseumsdirektor Jonathan Fine, dessen Nachfolge aufgrund seines Wechsels an die KHM-Spitze im Jänner 2025 demnächst ausgeschrieben werden soll, am Montag im Rahmen der Presseführung. Zunächst wirft man in der Schau, die von Sammlungskuratoren aus den Bereichen „Nord- und Mittelamerika“, „Nordafrika, West- und Zentralasien, Sibirien“ sowie „China, Korea und Japan“ gemeinsam entwickelt wurde, einen – für manche vielleicht überraschenden – Blick nach Nordamerika, woher die Vorfahren der Kamele ursprünglich stammten, bevor sie vor rund 7 Millionen Jahren über die Beringstraße nach Asien und von dort nach Nordafrika gelangten. Zahlreiche Untergattungen wie etwa Lamas, Alpakas und Guanakos ließen sich unterdessen im westlichen Südamerika nieder, während Dromedare in Afrika sesshaft wurden und sich den jeweiligen Umweltbedingungen anpassten.

Ihre Beziehung zum Menschen als Nutztiere – von Fleisch, Milch und Wolle bis hin zur Verwendung als Last- und Reittiere – wird anhand von zahlreichen Artefakten aus der Sammlung des Weltmuseums nachgezeichnet und mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler ergänzt. Darunter eine kunstvolle Rückendecke aus Turkmenistan, mit Alpaka-Zeichnungen verzierte Kalebassen aus Peru oder Malereien aus Indien. Aber auch Feste wie das alljährlich in den Anden stattfindende „Tinka de Alpaca“, das „Bikaner Festival“ in Rajasthan oder Kamelrennen in Saudi-Arabien werden mit Fotos und Videos thematisiert. Wie groß die Rolle der Kameliden bei der Errichtung von großen Reichen der Inka, Osmanen und auch Römer war, zeigt ein eigener Raum, in dem die Verschiebungen von Grenzen dokumentiert werden, die auf dem Rücken der Tiere erreicht wurden. Hier findet sich etwa ein in Tulln gefundenes Skelett eines Kamels, das aus der Zeit der Zweiten Türkenbelagerung stammt und den Einsatz von Kamelen nachweist, oder eine Serie von großformatigen chinesischen Kupferstichen aus dem 18. Jahrhundert.

Aber auch der umgekehrte Weg in Form der Verdrängung der Tiere im Rahmen des Kolonialismus durch nicht-heimische Tiere wie Schafe oder Kühe (etwa in Südamerika) findet Platz in der Ausstellung. Eine eigene Station widmet sich auch der romantischen Verklärung der Vorstellung vom Orient im 19. Jahrhundert, als der Tourismus in Ländern wie Ägypten oder Israel einsetzte und Kamelritte zum Fixpunkt gehörten. Am Ende der Schau steht schließlich die gegenwärtige Lebenssituation der Kameliden, die immer seltener als Reit- und Lasttiere, sondern zunehmend für die Gewinnung von Luxusgütern wie Wolle oder Kamelmilch eingesetzt werden.

In seiner Fotoserie „Alpaquieras“ dokumentiert der in Peru und den USA lebende Fotograf Alessandro Cinque den Versuch, durch die Kreuzung von Alpakas und wildlebenden Vikunjas wirtschaftlich „interessantere“ Tiere zu züchten. Aber auch der Klimawandel, der Schafen und Kühen zunehmend den Lebensraum nimmt, lässt die Nachfrage nach Kameliden steigen. Diesen Umstand verdeutlicht Jean Francois Lagrot in seinen Fotos von Kamelfarmen in Frankreich, wo Kamele Kühe ablösen. Auch das zunehmende Interesse der Forschung, das „einmalige Immunsystem“ der Tiere in der Biotechnologie – etwa für die Krebsforschung – zu nutzen, findet sich in diesem finalen Raum, der den Titel „Auf dem Rücken der Kamele“ noch einmal in anderem Licht erscheinen lässt.

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„Auf dem Rücken der Kamele“ im Weltmuseum Wien, 27. Februar 2024 bis 26. Jänner 2025. weltmuseumwien.at

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