„Wenn´s dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis tanzen“

Die Schauspielerin Franziska Weisz über ihre neue Serienrolle, Freundschaften und die Umwelt

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Man kennt sie als „Tatort“-Kommissarin. In der neuen Serie „Tage, die es nicht gab“, die ab 10. Oktober jeweils montags um 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf ORF 1 läuft, spielt sie eine Staatsanwältin, die mit ihren Freundinnen ein Geheimnis hütet. Franziska Weisz (42) über Menschen, denen man alles erzählen kann, die Grenzen der Loyalität und die Chance, die sich aus der aktuellen Krisensituation ergibt.

VOLKSBLATT: Wie war es für Sie, eine Verdächtige zu spielen?

WEISZ: Ich habe auch vor Ewigkeiten einmal bei einem „Tatort“ als Verdächtige mitgespielt. Ich habe es total genossen, die Sissy Höfferer ist als Kommissarin ein großartiges Gegenüber, sie und ihr Partner sind so trocken und lustig in ihren Rollen. Als Ermittlerin will ich ja etwas von meinem Gegenüber, muss Strategien entwickeln, um die Wahrheit herauszufinden. Es war echt schön, einmal diejenige zu sein, die die anderen auflaufen lassen darf. Ich habe das mit Genuss gespielt.

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Wie würden Sie die Serie beschreiben?

So, wie es mir vorgestellt wurde, war es „Big Little Lies“ auf Österreichisch. Und da waren bei mir gleich alle Türen offen, weil ich „Big Little Lies“ wirklich sehr geliebt habe. Im Mittelpunkt stehen vier Frauen, beste Freundinnen, und deren Leben, völlig unterschiedliche Schicksale und ein gemeinsames Geheimnis, das jetzt droht, gelüftet zu werden. Dieses Geheimnis ist durchaus eine Zerreißprobe für die Freundschaft.

Als Kommissarin im „Tatort“ kommen Sie eher kühl herüber, müssen sich zugunsten des Falles meist zurücknehmen. Wie würden Sie die Figur der Miriam beschreiben?

Die Figur der Miriam lernt man am Anfang als Überfliegerin kennen. Sie hat alles, was man sich wünscht: eine tolle Familie, eine tolle Karriere, ein großartiges Haus, zauberhafte Freundinnen. Aber sie ist unglücklich damit. Es gibt ja diesen Spruch: Wenn´s dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis tanzen. Miriam denkt, sie hat Oberwasser und setzt alles aufs Spiel. Und dann kann man ihr dabei zusehen, wie sie sich immer weiter verstrickt in immer größere Probleme. Es wird auch immer emotionaler, sie wird wirklich an und über ihre Grenzen gebracht.

Hat man vor Freundinnen Geheimnisse oder gibt es da auch die eine oder andere, der man alles erzählen kann?

Es gibt die eine oder andere, der man wirklich alles erzählen kann. Je älter ich werde, desto mehr habe ich das Bedürfnis, mit den Menschen, mit denen ich meine Zeit verbringe, auch wirklich ehrlich zu sein. Ehrlichkeit verbindet. Als Teenager ist man sehr damit beschäftigt, die anderen zu beeindrucken. Aber gerade, wenn man seine Schwächen zeigt, schafft man Nähe.

Und wo endet Loyalität?

Das kommt auf die jeweilige Freundschaft an. Für das Wohl der Menschen, die mir am Herzen liegen, würde ich kämpfen. Das ist ja auch das Thema dieser Serie: Wie sehr darf ich meine Freundin schützen, wenn es die Möglichkeit gibt, dass diese tatsächlich etwas verbrochen hat? Darf ich meine Freundin verraten oder sagt man: Die Freundin wird schon wissen, was sie tut, und ich stärke ihr den Rücken. Das ist genau dieser Loyalitätskonflikt, um den es da geht.

Es geht auch um Macht und Machtmissbrauch. Haben Sie solche Situationen selbst schon erlebt?

In der Schule nicht. Wir hatten keine despotischen Lehrer. Im Leben trifft man ständig auf Machtmissbrauch. Auch wenn metoo den Diskurs der letzten Jahre geprägt hat, und es heißt, alles soll auf Augenhöhe geschehen und nicht hierarchisch. Die Menschen, die Macht haben, die gebrauchen sie. Ich kann jetzt nicht sagen, dass mit metoo Machtmissbrauch verschwunden ist. Ganz und gar nicht.

Vier Frauen in den Hauptrollen, auch die Regie ist weiblich. Wie war es, in einem doch sehr von Frauen geprägten Team zu arbeiten?

Wunderbar. Aber da sind ja 50 Leute am Set, darunter auch viele Männer und wir hatten auch einen wunderbarer männlichen Drehbuchautor (Anm., Mischa Zickler). Wir Kolleginnen haben uns alle auf Anhieb gut verstanden, es gab überhaupt gar kein „Wer ist die Schönste im ganzen Land?“, keine Konkurrenz. Das war so herrlich, eine ausnehmend schöne Zeit.

Haben Sie sich mit Ihren Kolleginnen angefreundet?

Es war wirklich Liebe auf den ersten Blick, was sehr lustig ist, weil die Macher dieser Serie uns als beste Freundinnen gecastet haben, ohne dass wir uns kannten. Und dann treffen wir aufeinander und schließen einander so ins Herz, da sind wirklich Freundschaften entstanden.

Wird Spannung dadurch erzeugt, dass immer mehr Verdächtige auftauchen?

Spannung wird dadurch erzeugt, dass man am Anfang meint, gewissen Figuren glauben zu können, die sich dann aber selbst widersprechen. Und da muss ich mich dann selbst fragen: Moment, habe ich gerade dem falschen Menschen die Stange gehalten? Das kann ja auch im echten Leben passieren, dass man plötzlich durch kleine Lügen oder Ungereimtheiten denkt: Was ist da noch alles im Argen? Und der Antagonist — Harald Krassnitzer ist toll in der Rolle —, der ist so vordergründig bösartig, da fragt man sich auch, worin der noch verstrickt ist.

Sie sind ja eher zufällig zur Schauspielerei gekommen, wurden von Ulrich Seidl für „Hundstage“ entdeckt. Was mögen Sie besonders am Schauspielberuf?

Zuallererst die viele Abwechslung und das viele Reisen. Das Vagabundenleben der Schauspielerei liegt mir. Und dann ist es auf jeden Fall das Über-meine-Grenzen-Gehen, mit Situationen konfrontiert zu werden, die ich in meinem Leben noch nicht erlebt habe. Und das auszuloten und auszutesten und dadurch mich selbst kennenzulernen und die Möglichkeit, in unterschiedliche Leben zu schlüpfen. Ich habe zum Beispiel sehr viel über Polizeiarbeit gelernt über all die Jahre. Ich will das Leben realistisch und authentisch darstellen. Es wäre schrecklich, würden beim „Tatort“ alle Polizisten wegschalten, weil sie unseren Pfusch nicht aushalten!

Sie haben einen Abschluss in Entwicklungs- und Umweltpolitik. Es heißt, Sie leben sehr umweltbewusst. Wie nehmen Sie die aktuellen Entwicklungen wahr?

Als große Chance. Dadurch, dass uns der Hahn zu Öl und Gas so drastisch zugedreht wird, ist jetzt der Moment, in dem wir alle verstehen müssen: Wir sind wahnsinnig abhängig vom Ausland, und: es gibt eine Alternative dazu. Wir müssen uns beeilen, unsere erneuerbaren Energien auszubauen — das ist die einzige Chance.

Woran arbeiten Sie gerade?

Ich arbeite bis Ende Oktober an einem „Tatort“ in Hamburg. Nächstes Jahr kommt die Serie „Der Schwarm“ heraus nach dem Buch von Frank Schätzing. Das wurde als internationale Serie verfilmt, dafür habe ich letztes Jahr in Rom gedreht. Und als Frau Martin bin ich zur Zeit neben „Bibi und Tina“ im Kino zu sehen. Lauter schöne Projekte, zum Glück, ich bin gesegnet.

Mit FRANZISKA WEISZ sprach Melanie Wagenhofer

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