Wer ein solches Werk (Weib) errungen

Enttäuschend: „Fidelio“ in der Inszenierung von Christoph Waltz im TV

Von Georgina Szeless

Im Schnitt 195.0000 Zuschauer, weit mehr als im Theater an der Wien Platz gehabt hätten, haben am Freitag die ORF-Übertragung einer Probenaufzeichnung von Christoph Waltz‘ „Fidelio“-Inszenierung verfolgt: So weit, so gut, wäre das dankenswerte Unternehmen für Opernkenner nicht enttäuschend ausgefallen. Vor allem, was die Regie betrifft, die kaum ein brauchbares Konzept aufwies.

Irritierende Handlungen

Waltz, illustrer Schauspieler und Oscar-Preisträger, hinterließ mit seinem Operndebüt in Österreich einen reichlich schwachen Eindruck. Es ist schon schwer genug, wenn die Darsteller vor einem Geisterauditorium singen und spielen müssen, man sollte sie nicht auch noch mit irritierenden Handlungen konfrontieren — am meisten wahrzunehmen in der Befreiungs- und Erkennungsszene. Die Bühne, ein hochgeschraubtes, ellipsenförmiges Treppengebilde, schuf Frank Barkow, eine sportliche Herausforderung für die Akteure. Bildregisseur Felix Breisach braucht keine allzu einfallsreiche Arbeit leisten. Mit ein paar rosagefärbten Lichteffekten von Henry Braham da und dort musste man sich zufriedengeben. Die Kostüme von Judith Holste zumeist im Militärlook sollten wohl an die Zeit der Französischen Revolution erinnern.

Dirigent Manfred Honeck griff bei der Realisierung der einzigen Oper Beethovens nach der selten gespielten Zweitfassung. Fein, dass der Musikdirektor des Pittsburgh Symphony Orchestra daraus die herrliche „Gold“-Arie des Rocco, die Beethoven 1806 gestrichen hatte, 1814 aber wieder hineinnahm, berücksichtigte. In allen Details überzeugen konnte Honeck nur bedingt, bei aller Beachtung einer möglichst sensiblen Orchesterbehandlung. Dies begann schon bei der zum Auftakt gespielten „Leonoren“-Ouvertüre. Das symphonische Meisterstück erzählt ja die ganze Geschichte der Oper, was im Pianissimoton beginnend und weiter im Crescendo eine bewegende Aufführung erwarten ließ. Honeck animierte die Wiener Symphoniker zu besonders farbigen, situationselastischen Einsätzen. Kammermusikalische Akzente betonten die Nähe der Oper zum Singspiel, der harte Klang und die brutale Schärfe kamen hingegen aus der titanischen Wucht der Beethoven-Partitur auf oft schockierende Art dramatischen Auswuchses mit aller Durchschlagskraft in den Dissonanzen oder Synkopen. Honeck erweckte dadurch den Revolutionsgeist in Beethoven.

Lichtblick Sänger

Die vokale Besetzung sorgte für manche Lichtblicke. Allen voran die Amerikanerin Nicole Chevalier mit ihrem strahlenden, sicheren und sauberen Sopran auch in den Koloraturen. Aus dem Ensemble ragte sonst vielleicht noch der glaubhaft verkörperte Rocco von Christof Fischesser heraus. Als Marzelline ist die liebliche Melissa Petit vergeblich bemüht, Fidelio für die Heirat zu gewinnen, was den eifernden Benjamin Hulett als Jaquino zu einem heftigen Streit mit ihm ausrasten lässt. Eric Cutler spielt den Florestan in Handschellen, gekettet an die Grenzen seiner Stimme in einer der gefürchtetsten Rollen der Musikliteratur. Rächer Don Pizarro, besetzt mit Gabor Bretz, trachtet mit gezücktem Messer nach Florestans Leben, da zückt die rettende Gattin den Revolver.

Erwin Ortners Schönberg-Chor zeigt einmal mehr seine viel gerühmte Qualität. Er glänzt im Gefangenenchor und stimmt mitfühlend ins Freudenfinale des symbolträchtigen Werkes ein, das für Hoffnung, Freiheit, Humanität und Sieg der Liebe über Tyrannei nicht deutlicher besungen werden könnte, als es in unsere heutige Zeit passt. Beklemmende Stille anstatt Applaus.

„Fidelio“ wird auf der ORF-TVthek österreichweit für sieben Tage nach der TV-Ausstrahlung als Video-on-Demand bereitgestellt. Zudem ist die Aufzeichnung via fidelio (www.myfidelio.at) zu sehen.

Die mobile Version verlassen