„Wir erfassen, was in Oberösterreich passiert“

Die Kunstsammlung des Landes OÖ präsentiert im Ursulinenhof ihre Neuerwerbungen aus 2022

Drei Frauengestalten, drei Stile, drei oberösterreichische Künstler: Michaela Bruckmüller „bird 02“, Martin Veigl „street romance“, Edith Stauber „Am Morgen, Zähneputzen“ © Kunstsammlung des Landes OÖ

Die Breite des zeitgenössischen heimischen Kunstschaffens bilden die Ankäufe, die das Land OÖ für seine Kunstsammlung regelmäßig tätigt, ab.

Und es macht Freude, die Vielfalt in der aktuellen Ausstellung (bis 29. September) anhand von insgesamt 59 Neuerwerbungen des Jahres 2022 im zweiten Stock des Linzer Ursulinenhofes zu betrachten. Einen Teil davon kann man für wenig Geld auch für zuhause ausleihen.

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Kunst aus OÖ für zuhause entlehnen

Die Kunstsammlung des Landes besteht aktuell aus mehr als 8000 Werken, davon finden sich mehr als 700 — ausschließlich Grafiken und Gemälde — in der Artothek, sind also entlehnbar. Allen Werken der Sammlung ist gemein, dass sie einen starken Oberösterreich-Bezug haben, thematisch oder dadurch, dass der jeweilige Künstler hier lebt und arbeitet.

„Der Trend geht in den letzten Jahren in Richtung Fotografie“, so Anneliese Geyer. Die Kunsthistorikerin und Germanistin ist seit 2013 Leiterin der Kunstsammlung. In der Ausstellung offenbart sich die Vielfalt der Kunstform von antiquiert bis hochtechnisch: Architekturfotografie ist ebenso wie klassische Porträts vertreten, Fotografie mit künstlerischen Interventionen, Aufnahmen, die ganze Geschichten erzählen. Das dreiteilige „Screens 1-3 (Flag of Advertising)“, Digitalprint hinter Plexiglas, von Sebastian Six etwa, für das dieser Ausschnitte zoomt und durch die Farbkombination eine besondere Wirkung erzielt.

Demgegenüber die Aufnahme von einer Dame in traditioneller oö. Tracht von Michaela Bruckmüller, der Titel „bird 02“ bezieht sich auf das kunstvoll gebundene Kopftuch. Analog und handwerklich so, wie man es vor 100 Jahren gemacht hat, arbeitet Kristina Feldhammer, die ihr Foto „Stille, Berühren, Leere IV“, das eine Frauengestalt zeigt, mit Collagetechnik verfremdet. Renate Billensteiners Architekturfotografie hat stets einen ironischen Aspekt: Hier sind Innenräume von Gotteshäusern die Motive, auf denen der Betrachter „Störfaktoren“ wie einen Haufen Pappendeckel-Verpackungen oder einen Feuerlöscher entdeckt.

Köstlich: Sebastian Fröhlich hat aus Weintrauben einen Hund à la Jeff Koons gebastelt und diesen abgelichtet: Titel „Innen und Außen/Inszenierung“.

Fotorealistisch mit Interventionen gestaltete Martin Veigel die wunderschöne Arbeit „street romance“. Der junge Künstler wurde bereits mit der Talentförderprämie des Landes bedacht. „Stilrichtungen und Grenzen von Genres verschwimmen heute oft“, so Geyer. Bei Jakob Kirchwegers Objekt „marmo bianco“ lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Sein Haus steht auf einem soliden Fundament: winzigen, einander umarmenden Paaren. Simon Reitmanns „Banane“ ist durch unzählige Doppelungen in die Breite gewachsen. Ein Bild reicht nicht für das Werk eines oö. Klassikers: Peter Hauenschild braucht für seine Kohle-Darstellung vom Mont St. Victoire sechs.

Edith Stauber kennt man vom Film, Geyer hat ihr eine großartige, dreiteilige Bilderserie „abgeschwatzt“, die schemenhaft ein Mädchen beim Zähneputzen zeigt.

Das Prozedere vor dem Ankauf ist aber grundsätzlich anders: Eine Jury, die sich aus zwei Mitarbeitern der Kunstsammlung, einer Vertreterin der Landes-Kultur GmbH und einem externen Juror zusammensetzt, wählt alljährlich aus den Einreichungen aus. „Nach Qualität — Sammlungskonzept gibt es keines“, so Geyer. „Wir erfassen, was in OÖ passiert.“

Ingrid Wurzinger-Leitner war letztes Jahr bei Next Comic: Dem Land gehört jetzt eine feministische Arbeit von ihr — Stickerei auf Plexiglas: „egalité“ steht da auf knallrosa Untergrund, darüber Nägel, die die Form des weiblichen Geschlechtsorganes bilden. Witzig eine Wand, die an früher gebräuchliche Stechkarten-Systeme von Unternehmen erinnert, dazu eine Neonröhre, die den Firmenalltag beleuchtet: Sigrid Krenners „Und wir fahren fort mit gleichem Gerät“.

„Kunst unter die Leute bringen“

Verliehen werden übrigens ausschließlich Grafiken und Gemälde und das „von winzigklein bis speditionsreif“. „Wir wollen, dass die Kunstwerke unter die Leute kommen“, betont die Leiterin der Kunstsammlung. Für Grafiken bezahlt man 14 Euro, für Gemälde 56 Euro für je ein halbes Jahr, Versicherung inklusive. Die Möglichkeit der Entlehnung werde gut angenommen, von Privatpersonen aller Altersgruppen ebenso wie von Unternehmen: „Wir kommen mit den Ankäufen fast nicht nach“, so Geyer. „Das Tolle ist, dass sich die Klientel oft so in ein Bild verliebt, dass die Leute dann in die Ateliers der Künstler gehen und Werke erwerben. Das ist eigentlich unser Ziel: Wir stellen die Verbindung her.“

PS: Angenehm, einmal ohne roten Faden — außer dem der Zeitgenossenschaft und dem Bezug zu Oberösterreich — durch eine anregende Kunstausstellung zu flanieren.

Von Melanie Wagenhofer