„Wir sind beide intuitive Bauchmenschen“

Anna Maria Mühe spielt eine mordende Bestatterin in der Verfilmung von Bernhard Aichners „Totenfrau“

Schlüpft in die Rolle der Bestatterin Blum:Anna Maria Mühe
Schlüpft in die Rolle der Bestatterin Blum:Anna Maria Mühe © Petro Domenigg

Die Berliner Schauspielerin Anna Maria Mühe (37) kennt man u. a. aus historischen Filmen, aber auch aus der Krimi-Reihe „Solo für Weiß“, in der sie regelmäßig die Ermittlerin gibt.

Im Sechsteiler „Totenfrau“ nach dem Bestseller von Bernhard Aichner spielt sie jetzt die Bestatterin Blum, die den Mord an ihrem Mann rächt. Zu sehen 7., 10. und 14. November jeweils in Doppelfolgen ab 20.15 Uhr in ORF 1.

Lesen Sie auch

VOLKSBLATT: Sie stammen aus einer Künstlerfamilie. Zur Schauspielerei sind Sie aber eher zufällig gekommen.

ANNA MARIA MÜHE: Ich war 15, habe in Berlin gewohnt und saß in einem „American Diner“. Eine Frau, die mir gegenüber saß und mich beobachtete, sprach mich schließlich an. Sie lud mich zum Casting von „Große Mädchen weinen nicht“ ein, ein Film, bei dem sie die Regie übernahm.

War das immer schon ein Wunsch?

Das war schon etwas, das mir sehr vertraut war, und das ich gerne ausprobieren wollte. Es war natürlich nicht klar, ob das auch funktioniert, und ich das Talent dazu habe. Aber der Wunsch, diesen Weg einzuschlagen, der war definitiv früh da.

Warum boomen Krimis auf dem Bildschirm so?

Eventuell, weil man durch die Form der Miniserie oder der Serie generell mehr Möglichkeiten hat, tiefer in die Figuren, in die Geschichten reinzugehen und da ist das Motiv Krimi natürlich ein Geschenk.

„Die Totenfrau“ ist eine ORF/Netflix-Produktion. Was macht die Internationalität der Serie aus?

Ich finde, der Look unserer Serie kann sich durchaus mit anderen internationalen Serien messen.

Was ist das Besondere an Ihrer Rolle?

Ich mochte an Blum, dass sie eine sehr mutige und unkonventionelle Frauenfigur ist und keine Sympathieträgerin durch und durch, sondern jemand, der durchaus den Zuschauer auch zwingt, darüber nachzudenken: Wie weit würde ich eigentlich gehen?

Reizen Sie ambivalente Figuren?

Ja, das finde ich sehr interessant. Ich mag die Arbeit, die Vorbereitung auf solche Figuren sehr, es ist immer eine spannende Reise.

Wie war es, eine Bestatterin zu spielen?

Ich hatte die Möglichkeit, in Innsbruck mit einer Bestatterin einen Tag zusammen zu sein und alle Schritte, die ich in der Serie gemacht habe, durfte ich einmal sozusagen in echt durchführen. Das hat natürlich Überwindung gekostet, aber am Ende war ich sehr dankbar, dass ich das machen durfte.

Warum ist man als Zuseher auf der Seite der mordenden Frau?

Das war das Schwierige an der Figur, dass ich den Zuschauer oder die Zuschauerin nicht verliere auf dem Weg. Das war auch die große Herausforderung. Warum das so ist, müssen Sie mir beantworten, weil Sie ja scheinbar auf meiner Seite waren.

Was steckt von Ihnen selber in der Figur der Blum?

Ich konnte mich sehr viel einbringen, auch, was Dialoge angeht, da haben wir viel zusammengearbeitet, auch mit den jeweiligen Kolleginnen und Kollegen. Ich glaube, was die Blum und mich eint, ist, dass wir beide intuitive Bauchmenschen sind. Ich renn nicht so sehr mit dem Kopf durch die Wand wie sie. Ich bin auch nicht so mutig wie sie, ich gehe ungern abends durch die Straßen, ich glaube, das ist der Blum ziemlich egal.

Wie waren die Dreharbeiten in den Tiroler Bergen?

Sehr schön, aber auch sehr anstrengend durch die Wetterbedingungen, das kann ja wirklich stündlich springen. Wir waren sechs Wochen in Tirol und dann drei Monate in Wien, eine traumhafte Stadt.

Haben Sie das Motorrad in der Serie selbst gelenkt?

Ich habe leider keinen Motorradführerschein und nur die An- und Abfahrten gemacht, der Rest, das war meine Stuntfrau.

Wie wählen Sie Ihre Rollen aus?

Das Recht, meine Rollen frei zu wählen, habe ich mir relativ früh rausgenommen, einfach, weil ich ungern etwas mache, wo ich nicht dahinterstehen kann. Bei der Rollenauswahl muss erstmal das Buch gut sein, im besten Fall etwas bei mir auslösen oder etwas mit mir machen beim Lesen. Und dann sind natürlich die Regie wichtig und die Kollegen. Ich erzähle gerne Geschichten und die können etwas sehr Schönes auslösen, aber auch ambivalent sein.

In „Geliebter Johann Geliebte Anna“ aus 2009 spielten Sie an der Seite von Tobias Moretti die Anna Plochl …

Das war auch eine schöne Arbeit. Ich drehe auch sonst viel Historisches. Und ich habe gern mit Tobias Moretti und Regisseur Julian Pölsler gearbeitet. Ich fand die Kostüme toll, die waren alle auf meinen Leib geschneidert. Ich habe eines der Dirndl geschenkt bekommen, aber in Berlin trägt man das nicht so viel.

Wie haben Sie die Corona-Zeit erlebt?

In der Corona-Zeit bin ich ziemlich gut durchgekommen, hatte beruflich keine großen Ausfälle. Das war natürlich eine schwierige Zeit, die Anfangszeit, wo alles irgendwie so gefühlt zusammenbrach und geschlossen war. Aber ich fand es auch erholsam, man wurde so zur Ruhe gezwungen.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Anfang nächsten Jahres kommt auf der ARD die zweite Staffel von „Unsere wunderbaren Jahre“, die spielt in den 50er-, 60er-Jahren, darauf freue ich mich. Dann durfte ich dieses Jahr beim Regiedebüt von Charly Hübner mitmachen: „Sophia, der Tod und ich“ heißt der Kinofilm, der kommt auch Anfang 2023 raus.

Mit ANNA MARIA MÜHE sprach Melanie Wagenhofer

Das könnte Sie auch interessieren