Wos jetzt? Kiwi, Kürbis, Mond von hinten oder Mardersex?

Markus Huemer öffnet mit seiner fabelhaften Ausstellung im Schlossmuseum Linz viele gedankliche Türen

Markus Huemer und sein Werk: „Auf dem Gemälde ist kein Platz für die Kiwi“ (2020, l) und „Extinction Rebel (47) - ,Voodoo 4 4500'“ (2020)
Markus Huemer © Smetana

„Du lachst, oder du ärgerst dich. Damit bist du im Bild drinnen. Mehr brauche ich nicht.“ Zuerst ist das Betrachten. Ein ästhetisch ansprechendes, großformatiges Landschaftsgemälde, fragmentiert dargestellt, fast wie das Negativ einer Fotografie. Dann der Titel. „Ich hätte Euch auch eine bessere Zukunft malen können“.

Markus Huemer denkt immer um die Ecke, nie ist sein Werk eindimensional, vordergründig, einfach. Und dennoch kann es so funktionieren. Dieses Faszinosum macht die Ausstellung „Ich grüße meinen Vater, meine Mutter und ganz besonders meine Eltern“ im Schlossmuseum Linz auf den ersten Blick klar. Na gut, auf den zweiten, oder vielleicht auf den dritten.

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Apokalypse zum Start

Steigt man die Stufen ins zweite Untergeschoß hinab, schieben sich die großen Gemälde ins Blickfeld, erzeugen in ihrer reduzierten Farblichkeit und minimalistischen Darstellung eine apokalyptische Stimmung. Versehen sind die Arbeiten Huemers durchwegs, so der Künstler selbst, mit „ironischen, zynischen, sarkastischen“ Titeln. Zugunsten der ästhetischen Wirkung der Malereien wurden die ins Saalheft verbannt.

Eine kluge Entscheidung, die Entdeckung von Huemers Werk Schritt für Schritt bringt besonders viel Vergnügen. Kuratiert hat die ansprechende Schau Inga Kleinknecht, und das sehr zur Zufriedenheit des Künstlers. „Sie hat eine Schneise durch mein Werk geschlagen. Es ist eine der besten Ausstellungen, die ich je gesehen habe, obwohl ich sie selbst ganz anders gemacht hätte.“

Da ist er wieder, der Konjunktiv, der sich auch durchs Werk des gebürtigen Linzers zieht. „Der Konjunktiv II ist so typisch österreichisch“. Er provoziere die Frage „Wos jetzt?“ und diene als Einfallstor zur Werkbetrachtung, so Huemer. Im Alter von 17, 18 Jahren hat er die Heimat verlassen, nun stellt er erstmals hier aus. International könne er sich die Museen aussuchen, denen er seine Werke — es sind an die 8000 insgesamt — anvertraut, erzählt OÖ Landes-Kulturchef Alfred Weidinger. Nun ist ihm also auch eine Einzelausstellung in Linz gewidmet, die bis 12. September zu sehen ist.

Eine Welt hinter jedem Bild

Bei Markus Huemer tut sich hinter jedem Bild eine Welt auf, die es zu erforschen lohnt. Die Landschaften, die er malt, existieren nicht, sie entstanden digital, wurden errechnet. Huemer holt sie mit Farbe und Pinsel in die analoge Welt. Das Hinterfragen von Wahrhaftigkeit digitaler Bilder spielt er mit der Transformation vortrefflich durch. „Wir leben in einer Welt, die so abstrakt ist, dass es keine Bilder mehr von ihr gibt.“ Das gebe ihm zu denken, betont der 55-Jährige. 28 Bilder entstanden für die Reihe „Mit Polke den Mond anstarren“. Zu sehen ist etwas, das nicht zu sehen ist, von dem es aber unmögliche Fotografien der NASA gibt: die Rückseite des Mondes. Eine andere Reihe zeigt kleinformatig Insekten, die gegen ihr Aussterben rebellieren. Es sind Übersetzungen von Kupferstichen der faszinierenden Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian. Bei Huemer tragen sie Namen von Computerviren. „Vooodoo 4 4500“, es beweise einer, dass dieses Virus anders aussieht!

Auch dem Stillleben widmet sich der Künstler, „Auf dem Gemälde ist kein Platz für die Kiwi“ heißt eines, auf dem sich ein Kürbis ausgebreitet hat. Der ist aber just nicht gemalt, sondern eine freigelassene Fläche. Hopfen und Marder haben nichts miteinander zutun, der eine frisst den anderen nicht einmal. Genau deshalb hat Markus Huemer seinen gemalten Hopfenbildern Titel gegeben wie „Manche Marderarten lieben Sex mehr als andere“.

Als Betrachter von Huemers Werk kommt man nicht herum, um unzählige Ecken zu denken, sich selbst und die eigenen Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen, und an jedem Ende eines Gedankenganges zig neue zu beginnen.

Von Mariella Moshammer

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