Wundervolles „Schmerzenskind“

Gustav Mahlers fünfte Sinfonie als ein Ereignis im Brucknerhaus

Alles, was Mahler an Dynamik oder Phrasierung beabsichtigt hatte: Markus Poschner und das Bruckner Orchester
Alles, was Mahler an Dynamik oder Phrasierung beabsichtigt hatte: Markus Poschner und das Bruckner Orchester © Reinhard Winkler

Das Bruckner Orchester startete am Samstag seine Konzertreihe 2020/21 mit Gustav Mahlers 5. Sinfonie und löste einen Begeisterungssturm aus. Im vollen Haus, in Totalbesetzung mit Chefdirigent Markus Poschner am Pult und Standing Ovations am Schluss des Abends.

Das Riesenwerk aus 1903, uraufgeführt 1904 in Köln unter der Leitung Mahlers, in fünf Abteilungen gegliedert, wurde gelegentlich ein „Schmerzenskind“ genannt. Mahler nahm an dem Opus immer wieder Änderungen in der Partitur vor, speziell betreffend die Instrumentierung, um die von ihm gewünschte klangliche Transparenz zu erreichen. So wurden für jede Aufführung eigene Fassungen erstellt, erhielt die Sinfonie erst kurz vor seinem Tod die endgültige Form.

In Linz wurde die relativ neue, erst vor zwei Jahren edierte Orchesterfassung gespielt. Eigentlich nicht relevant, gemessen an den Anforderungen, die die Sinfonie an die Ausführenden stellt. Das Orchester zeigte sich in seiner Höchstform und reagierte hörbar auf die animierenden Zeichen Poschners und seinen leidenschaftlichen Einsatz, wenn er die Musiker mit förmlich in den Himmel ragenden Bewegungen umarmte.

Dabei war ihm keine Geste zu viel oder zu wenig, um alles, was Mahler ausdrücklich an allen Facetten der Dynamik oder Phrasierung beabsichtigt hatte. Die komplizierte Formanlage sowie die Stilelastizität ist geradezu ein Wunderwerk Mahlers an schier unausschöpflichen Ideen, ein Dickicht orchestralen Kontrapunkts. Mit der authentischen Umsetzung gelang eben dieses Wunder.

Im übrigen sprach Mahler selbst von den kühnsten Passagen in der Sinfonie, die so schwierig zu spielen wären, dass sie nach Solisten verlangen. Solistische Qualitäten im Orchester waren mehr als gefordert. In allen Stimmen zeigte es sich, im Blech, bei den Holzbläsern, deren Farben in romantischem Licht à la Weber oder Schubert glänzten.

Und erst recht in dem nur für Streicher und Harfe gesetzten Adagietto, berühmt gemacht durch Viscontis Film „Der Tod in Venedig“, der kürzeste Symphoniesatz Mahlers, der ins Rondo-Finale der Sinfonie in der Tonart cis-Moll erlösend überleitet in ein strahlendes D-Dur. Ein Triumph großen Leistungssieges.

Das Fenster zu diesem Ereignis öffnete als Vorspann die Erstaufführung des Stückes „Inseln“ von dem oö. Komponisten Gerald Resch, eine beachtenswertes Werk, technisch perfekt gearbeitet, mit viel Einsatz des Schlagzeuginstrumentariums, aber auch mit dem übrigen Orchester zu einem angenehmen Klangspektrum verarbeitet.

Inspiriert von den Naturgewalten an der Nordsee fehlt es dem Werk auch nicht an emotionaler Stärke, sodass es dem Publikum leicht zugänglich ist. Die persönliche Handschrift von Resch scheint an Profil merklich zu gewinnen. Wie dies der mächtige Applaus für den anwesenden Komponisten bestätigte.

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