Zukunftsvision mit erhobenem Zeigefinger

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Lukas Weiss © Andreas Kurz

Am Freitag feierte Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ aus 1931 (verschobene) Premiere in der Bühnenfassung und Regie von Bernd Liepold-Mosser.

Ein Video vorweg belehrt, dass etliches zwar über- oder eingeholt sei, die Menschheit aber klar auf dem Weg in diese Diktatur der Schönen und Glücklichen sei, einschließlich chemischer Hilfsmittel gegen allfälligen Kummer.

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Von Huxleys Welt bleibt nicht viel übrig

Von Huxleys romantisch dystopischer Story bleibt nicht viel übrig, wenn auch Martin Brunnemann großartig agiert als Professor, der einst ein Kind zeugte, und Jahre später der Mutter und seinem Sohn zufällig begegnet. Sein Wechsel vom konformen Wissenschaftler zum wiedererwachten Menschen und zurück ins System überzeugt.

Karina Pele funktioniert als angepasste Schöne. Mirkan Öncel als intellektuell Programmierter spürt eine unzulässige Energie in sich. Gina Christoph als Retrofrau berührt als Pfui-Teufel-Lebendgebärende, vom System durch die übliche Droge „Soma“ eliminiert. Ihr Sohn John alias Lukas Weiss gibt einen unbiegsamen Vielleicht-Erlöser. Im Licht des Videokreuzes, die Arme ausgebreitet, auf seinem Haupt eine Plastikgloriole, fordert er in einem fetten Finale „das Recht, unglücklich zu sein“.

Choreos und Videos zerfetzen jede durchgängige Handlung, geben Sichtweisen vor, ersticken aufkeimende Emotionen in hektischen Szenenwechseln. Auf der Bühne von Karla Fehlenberg stehen allgegenwärtige Kameras in Wohnräumen und Öffentlichkeit. In Echtzeit belehren uns Videos (Andreas Kurz), was diese schöne neue Welt so unerträglich macht.

Der ständige Moralfinger zeigt auf Wissenschaft, Gesellschaft und Politik, in Gestalt von Melanie Sidhu, die selbst gemachte Gesetze bricht. Komplett ungenutzt bleibt das große Komikpotenzial. Applaus für Schauspiel, Musik und Bühne.

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