Kurz: Nicht Atomindustrie in die Hände spielen

Bundeskanzler Sebastian Kurz © APA/Bundeskanzleramt/Tatic

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat davor gewarnt, bei der Festlegung des EU-Klimaziels 2030 der Atomindustrie in die Hände zu spielen. „Der Kampf gegen den Klimawandel soll nicht zur Erstarkung der Atomindustrie führen“, sagte er im Hauptausschuss des Nationalrats im Vorfeld des EU-Gipfels am Mittwoch in Wien. Zudem müssten Maßnahmen gegen eine mögliche Abwanderung der Industrie in Länder mit weniger strenger Klimaschutz-Regelung getroffen werden, betonte er.

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Treffen am Donnerstag und Freitag in Brüssel eine gemeinsame Positionierung zum Klimaziel finden. Noch unterstützen nicht alle 27 Staaten den Vorschlag der EU-Kommission, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu senken. Unterdessen haben manche Unternehmen und Experten gar ein Klimaziel von 65 Prozent gefordert.

„Wir haben die Sorge, dass alle der Überschrift zustimmen, bei der Umsetzung aber falsche Entscheidungen getroffen werden“ – etwa bezüglich einer vermehrten Nutzung der Atomkraft, so Kurz zum viel debattierten Klimaziel. Er räumte gleichzeitig ein, dass strikte Gegner der Nuklearenergie wie Österreich im Europäischen Rat „eindeutig in der Unterzahl“ seien.

Zum Thema EU-Budget und Rechtsstaatlichkeit äußerte der Kanzler seine Erwartung, dass die deutsche Ratspräsidentschaft gegenüber Ungarn und Polen „hart bleibt und keine faulen Kompromisse“ eingeht. Warschau und Budapest hatten ein Veto gegen das EU-Budgetpaket eingelegt, weil sie die Junktimierung mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip ablehnen.

Zuvor hatten etwa die Abgeordneten Helmut Brandstätter und Nikolaus Scherak (beide Neos) gefordert, dass sich die EU von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán „nicht erpressen lassen“ dürfe. „Man muss Orbán klarmachen, dass er in seiner Art und Weise nicht in Europa bleiben kann“, so Brandstätter. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried betonte seinerseits: „Orbán hat es geschafft, die ganze EU in Geiselhaft zu nehmen.“ Seine Frage nach einem möglichen Ausschluss von Orbáns Partei Fidesz aus der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die ÖVP angehört, beantwortete Kurz indes nicht.

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Bezüglich der Türkei-Politik antwortete der Kanzler auf eine Anfrage der FPÖ-Abgeordneten Petra Steger mit den Worten, dass sich Österreich weiterhin für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einsetze, ebenso für ein Waffenembargo und für neue Sanktionen. Die zusätzlichen Sanktionsmaßnahmen gegen Ankara, die beim kommenden Gipfel debattiert werden sollen, seien auch „eine Frage der Glaubwürdigkeit“, so Kurz.

Mit Blick auf den Regierungswechsel in den USA erwartet Kurz, dass vor allem in Bezug auf den Kampf gegen den Klimawandel mit einer Regierung des gewählten Präsidenten Joe Biden eine leichtere Zusammenarbeit möglich sein wird als mit dem bisherigen Amtsinhaber Donald Trump. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die „USA weiterhin ihre nationalen Interessen im Blick“ haben werden.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die gemeinsam mit Kurz die Fragen der Abgeordneten beantwortete, würdigte besonders das aktuelle österreichische Gesetzespaket gegen „Hass im Netz“, mit dem man auf diesem Gebiet vorpresche. Die EU-Kommission will ihrerseits dieser Tage den Digital Services Act zur Bekämpfung illegaler Online-Inhalte vorstellen – Edtstadler sprach von einem „vermutlichen“ Termin am 14. Dezember. Doch habe Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourová bereits eingeräumt, dass es „noch Jahre dauern“ werde, bis das Richtlinienpaket mit allen 27 Staaten akkordiert sei, berichtete die Europaministerin.

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