Landesausstellung in Steyr: Zurück und in die Zukunft

„Arbeit Wohlstand Macht“ ist seit heute geöffnet — Spannende museale Tour durch die Stadt

Video
Ich möchte eingebundene Video Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.

Die Bürger im ansprechend renovierten Innerberger Stadel, die Arbeiter im Museum Arbeitswelt, der Adel im Schloss Lamberg.

Die drei Standorte und ihre Themen sorgen dafür, dass die heute gestartete und bis 7. November laufende OÖ. Landesausstellung „Arbeit Wohlstand Macht“ spannend verwoben ist mit Steyr und seinen vielen Gesichtern.

Allein beim Weg vom einen zum anderen lässt sich die Stadt, vor allem ihr herrlicher historischer Kern, ganz wunderbar erfahren. Die Reise, die man museal — kuratiert von Universitätsprofessor Michael John und Herta Neiß von der Linzer Johannes Kepler Universität — macht, führt nicht nur zurück, sondern auch nach vorne.

„Das Besondere an dieser Landesausstellung ist, dass wir nicht nur historische Ereignisse behandeln, sondern auch gesellschaftliche Entwicklungen sowie Fragestellungen der Zukunft thematisieren“, so Landeshauptmann Thomas Stelzer beim symbolischen Auftakt — eine große Eröffnungsfeier verhinderte die Pandemie.

Aber: Die Öffnung der Landesausstellung sei auch ein Signal, dass man vorsichtig in Richtung eines breiten Neubeginns des kulturellen Lebens blickt, so der Landeshauptmann.

Der Steyrer Bürgermeister Gerald Hackl freute sich darüber, dass sich Steyr nach 1987 (Arbeit-Mensch-Maschine) erneut im Rahmen einer Landesausstellung einer breiten Öffentlichkeit präsentieren kann.

Für die Landesausstellung wurde ein umfassendes Corona-Sicherheitskonzept erstellt. Dazu gehören u.a. festgelegte Besuchskapazitäten für jeden Standort, Ticketkauf und Reservierung von Time-Slots erfolgen online.

Wer Lust hat, die Landesausstellung aktiv zu erfahren, wird anhand eines Aktionspasses, für den jeder Standort eigene Erlebnisse erarbeitet hat, dazu angeleitet. Die jüngsten Besucher begeben sich mit einem „Geschichtenheft“ auf Zeitreise.

Als Alternative zu Führungen wird ein webbasierter Media-Guide angeboten, für Schulen — Gruppenführungen sind ja noch nicht möglich — gibt es interaktive Online-Angebote, mit denen man die Landesausstellung vom Klassenzimmer aus entdecken kann.

Parallel zur Landesausstellung findet auch ein breit gefächertes Begleitprogramm statt, das etwa eine Produktion des Schäxpir-Festivals und eine Diskussionsrunde des Linzer Kepler Salons nach Steyr bringt.

Auf jedes Tief folgt ein Hoch

Museum Arbeitswelt zeigt Bürde und Stolz der Arbeiter

Wer vom Wohlstand der Stadt Steyr spricht, muss von den Rücken sprechen, auf denen er entstanden ist. Naturgemäß widmet sich das Museum Arbeitswelt den Arbeitern und ihrem Weg durch die Geschichte der Stadt und damit Österreichs.

Man habe sich dafür entschieden, sowohl die Arbeiter, die Produkte, die durch sie entstanden sind, als auch den Stolz darauf zu präsentieren, erklärt Michael John. Steyr sei eine Stadt der Konjunktur, also eine der Auf- und Abbewegungen. Das wird bereits an der Front des ehemaligen Fabriksgebäudes sichtbar, an dem ein Transparent prangt: „Solidarität mit den MAN Arbeitern.“

Chronologisch wandert man drinnen durch die Jahrzehnte, durch Fortschritt und die damit einhergehenden Veränderungen. Steyr als erste europäische Stadt mit elektrischer Beleuchtung — die dann aber wieder abgedreht wurde. Den Krieg gegen Preußen hat Österreich 1866 verloren, Steyr ging mit der Massenproduktion von Hinterladern als Sieger hervor.

Bis zu 22 Schuss waren in der Minute möglich. Es ging bergauf, bis es ab 1929 rapide hinunterging. Die Weltwirtschaftskrise machte Steyr wieder arm, eine ausgestellte Wohnung zeigt bedrückend, wie sich die Armut für die Menschen real darstellte. Arbeiterwirtshaus, Steyr als bedeutender Ort im Bürgerkrieg, Zwangsarbeit in Zeiten des Nationalsozialismus — in der Schau inszeniert als Sackgasse.

Man arbeitet sich so selbst durch die Ausstellung und kommt in die Phase des Aufschwungs. 1950er-Jahre, es wird bunt, Heimatfilme, Optimismus und eine heile Welt werden Mittelpunkt des Seins. Kreisky kommt, die Gastarbeiter und die Helmpflicht und alles boomt.

Ein großer Raum ist einem großen Thema in Steyr gewidmet — dem Automobil. Sowohl die Herzen der Oldtimer-Liebhaber, als auch ein bisschen weiter in der Schau, die jener, die auf Flitzer stehen, werden höher schlagen. Doch auch Protest und Krise haben ihren Platz. Es ist Programm: auf jedes Hoch folgt ein Tief — glücklicherweise auch umgekehrt.

Wo Franz Ferdinand auf Jagd ging

Adeliges im Schloss: Mächtige Männer und beliebte Freizeitvergnügen

Beim Betreten der Galerie im Schloss Lamberg fällt der Blick auf drei prächtige Schlitten. Damit zu fahren war eine der Beschäftigungen der adeligen Herrschaften. Das vornehme Leben gestaltete man auch mit der Jagd, das eigene Revier der Grafen und späteren Fürsten von Lamberg reichte von Steyr bis hinein in den heutigen Nationalpark Kalkalpen.

Und dort wurden auch regelmäßig nicht nur Hirsch und Co. gesichtet, sondern auch allerhöchste Gäste wie Thronfolger Franz Ferdinand, der so viel Wild erlegte wie kaum ein anderer. Eine Aufnahme zeigt den Kaiserlichen mit seinem 1000. selbst erlegten Hirsch. Einer der Lamberg´schen, die heute übrigens in Kitzbühel residieren, pflegte ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu einem gewissen Casanova.

Der Briefverkehr beinhaltete aber nicht pikante erotische Geschichten, er war vielmehr höchst intellektueller Natur.

Urkunden, Stammbäume und Wappen dokumentieren die Geschichte der Herrschaft von Lamberg, vom Aufstieg bis zum hoch verschuldeten Abschied von Steyr. Spannend auch, dass Unternehmer Josef Werndl einst auf einen Adelstitel verzichtete, seine beiden Töchter einen solchen annahmen und damit und wohl auch mit ihrer Mitgift — in allerhöchste Kreise gelangten. Eine der Damen ehelichte einen Grafen von Lamberg.

In den Prunkräumen des Schlosses, die erstmals öffentlich zugänglich sind, werden große Persönlichkeiten aus dem Hause Lamberg vorgestellt — von Kunstsammlern bis zu mächtigen Kardinälen.

Die Lambergschen Schlossherren verfügten über eine der bedeutendsten Privatbibliotheken Österreichs mit Schätzen. Die Nazis, die das Schloss 1938 übernahmen, hatten kein Interesse daran, so ist sie bis heute sehr gut erhalten.

Von den rohen Anfängen zum guten Wohlstand

Der Aufstieg des Bürgertums im Innerberger Stadel

Einst wurden im Innerberger Stadel, dem imposanten Handelshaus, wertvolle Rohstoffe gelagert. Seit über hundert Jahren ist der Renaissance-Bau Heimathaus, heute Stadtmuseum, das für die Landesausstellung saniert und damit auch nachhaltig für die Zukunft fit gemacht worden ist.

In einem gelungenen Zusammenspiel der bereits vorhandenen Substanz mit neuen Bauteilen, von Innen- und Außenbereichen, bietet sich hier — auch für künftige Ausstellungen — viel Raum und viele unterschiedlichste Perspektiven, die auch das Umfeld gekonnt einbeziehen.

Für die Landesausstellungen hat man sich hier der Geschichte des Bürgertums gewidmet. Eine Zeittafel der Stadtgeschichte, ein Modell von Steyr und Objekte aus dem Bestand, wie etwa der Erstdruck von „Stille Nacht“, der in Steyr entstanden ist, machen die Entwicklung des Ortes gleich zu Beginn nachvollziehbar.

Vom Dienstmädchens blieb nur ein Büchlein

Was und wer hat Steyr reich gemacht, fragt sich die Schau, die über die Anfänge der Zünfte, den Eisenhandel auf der Enns bis in eines der Herzen der Stadt führt: In eine beeindruckende Nagelschmiede, die Besucher mit Geräuschen und Gerüchen in eine andere, rohe Welt entführt.

Aus diesem ursprünglichen Handwerk entstand der Wohlstand der Stadt. Und wer zum Bürgertum, später zum Wirtschafts- und Bildungsbürgertum zählt, hat auch Zeit — für die hohe Kunst, Vereine, oder die Begeisterung fürs Sammeln. Das alles findet Platz im Leben der Bürger, die sich ihren Wohlstand und den der Stadt erwirtschaftet haben — sichtbar auch in der Schau im Innerberger Stadel.

Das Biedermeier-Zimmer zeigt angenehmen Reichtum, in einer kleinen Nische findet sich das Leben des Dienstmädchens, das mit 14 Jahren zu arbeiten begann und von dessen Leben nicht mehr übrig geblieben ist als ihr kleines Dienstbotenbüchlein. Ihre Arbeitgeber hingegen näherten sich immer mehr dem Adel an.

Wie es mit diesem Wohlstand weitergeht, was jeder einzelne bereit ist, dafür zu tun — Fragen die im letzten Raum der Schau gestellt und von Bewohnern Steyrs beantwortet werden und den nötigen Bezug zum Heute schaffen.

Das könnte Sie auch interessieren