Landtagspräsident Stanek: „Demokratie noch lebendiger, moderner und besser gestalten“

Landtagspräsident Wolfgang Stanek über Politik in Corona-Zeiten, die Notwendigkeit politischer Bildung und die Phasen ohne Politik

Landtagspräsident Wolfgang Stanek lebt seit vielen Jahren in Wilhering, der 61-Jährige ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Stanek ist seit 1991 OÖVP-Landtagsabgeordneter, seit 30. Jänner ist er Präsident des oberösterreichischen Landtages.
Landtagspräsident Wolfgang Stanek lebt seit vielen Jahren in Wilhering, der 61-Jährige ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Stanek ist seit 1991 OÖVP-Landtagsabgeordneter, seit 30. Jänner ist er Präsident des oberösterreichischen Landtages. © Land OÖ/Neissl

Die Bevölkerung anerkenne die Maßnahmen gegen die Corona-Krise, resümiert LT-Präsident Wolfgang Stanek seine jüngsten Bezirksbesuche. Als Präsident sei er im Landtag um Ausgleich bemüht.

VOLKSBLATT: Sie sind seit Jänner Landtagspräsident. Wie sehr hat die Corona-Pandemie das erste halbe Jahr ihrer Präsidentenzeit durcheinandergewirbelt?

LT-PRÄSIDENT STANEK: Durcheinandergewirbelt würde ich nicht sagen, aber die Schwerpunktsetzungen sind völlig andere geworden. Das Landtagspräsidium war in die Abstimmungsgespräche über die Corona-Maßnahmen involviert, ich habe das als sehr positiv empfunden, dass wir von LH Thomas Stelzer sehr aktiv eingebunden worden sind. Wesentlich eingeschränkt war der Kontakt zur Bevölkerung, wir haben aber in den letzten Wochen mit Bezirkstagen wieder einen intensiveren Kontakt gesucht.

Hat Sie als längstdienenden Landtagsabgeordneten am Alltag des Präsidenten-Daseins noch etwas überrascht?

Wirklich positiv überrascht hat mich, wie toll man von den Menschen als Landtagspräsident angenommen wird. Dass man mit den Menschen einen intensiven Kontakt pflegen kann, ist das wunderschöne an der Aufgabe.

Wie würden Sie Ihre Funktion in wenigen Worten definieren?

Man steht als Präsident ein Stück weit über den parteipolitischen Dingen und ich versuche auch, das Ausgleichende zwischen den Parteien intensiv zu leben.

Sie waren, wie schon gesagt, trotz Corona in den letzten Wochen sehr viel im Land unterwegs. Welche Grundstimmung herrscht in Oberösterreich?

Die Grundstimmung lautet: Was von der Bundes- und der Landesregierung bei der Bekämpfung der Corona-Krise geleistet wird, wird von den Menschen in einem ganz hohen Maß auch anerkannt. Die allermeisten Entscheidungen werden als richtig und auch positiv angesehen, das gilt – nach einer gewissen Leichtigkeit des Seins – auch für die nunmehr wieder restriktiveren Maßnahmen.

In der politischen Auseinandersetzung, insbesondere in den letzten Landtags- und Nationalratssitzungen, hat man allerdings ein völlig anderes Bild vermittelt bekommen. Nach Meinung der Opposition ist so ziemlich alles falsch, was an Maßnahmen gesetzt wurde.

Man könnte flapsig sagen: Es ist das Vorrecht der Opposition, alles zu kritisieren und in Frage zu stellen. Allerdings steht dem die Bevölkerung in einem ganz hohen Maß mit Unverständnis gegenüber. In Oberösterreich etwa sind alle Parteien von Landeshauptmann Stelzer und LH-Stellvertreterin Christine Haberlander immer umfassend informiert worden. Im Nachhinein alles in Frage zu stellen, führt zu einer gewissen Unglaubwürdigkeit der handelnden Personen.

Politik lebt bekanntlich vom persönlichen Kontakt, die Jungen leben in der Welt der Social Media. Wie erreicht man sie?

Über Social Media – wenn man auch dort authentisch ist. Wobei es gar nicht mehr stimmt, dass man über Social Media nur die Jungen erreicht. Gerade auf Facebook beteiligen sich auch Ältere an den verschiedenen Diskussionen. Außerdem muss man auch als älterer Politiker die Neuerungen in der Kommunikationstechnik entsprechend mitleben.

Sie setzen sich auffallend stark für mehr politische Bildung an den Schulen ein. Besteht hier ein Manko?

Ich möchte das nicht als Manko bezeichnen, aber politische Bildung muss einem permanenten Weiterentwicklungsprozess unterworfen sein. Es ist wichtig, ständig auf die Bedeutung der Demokratie und unserer Grundwerte wie Freiheit oder Frieden hinzuweisen. Daher haben wir als Landtagspräsidium gemeinsam mit der IWS das Demokratieforum ins Leben gerufen. Ich wünsche mir, dass sich möglichst viele Menschen in den politischen Diskussionsprozess einbringen und Ideen liefern, wie man Demokratie noch lebendiger, noch moderner und noch besser gestalten kann.

Sie sagen, Demokratie ist kein Selbstläufer. Warum nicht, schließlich gibt es keine vernünftigen Alternativen?

Es stimmt, dass es keine vernünftigen Alternativen gibt. Aber: Die Menschen sind nun einmal so gestrickt, dass das, was selbstverständlich ist, mit der Zeit an Wertigkeit verliert. Das gilt für den Frieden oder die Freiheit ebenso wie für die Gesundheit. So lange man gesund ist, ist das selbstverständlich, und so lange man in einer Demokratie leben kann, ist das auch selbstverständlich. Gerade deshalb ist es so wichtig, das Bewusstsein für Verbesserungen zu schärfen. Ich darf dazu den LH a. D. Josef Pühringer zitieren, der gesagt hat: Es ist verdammt hart, der Beste zu sein, aber es ist noch härter, der Beste zu bleiben. Das gilt auch für die Demokratie.

Demokratie ist auch institutionalisiert: Worin liegt die Existenzberechtigung des Landtages, wenn ohnehin sehr viel auf Bundes- und EU-Ebene entschieden wird?

Gerade die Covid-Krise hat gezeigt, wie gut und wichtig es ist, dass wir föderale Strukturen haben und sozusagen aus dem Kleinen ins Große gehen. Das beste Beispiel ist die Beschaffung der Schutzmaterialien: Hätten wir hier auf die nationale Ebene warten müssen, hätten wir, auf gut Deutsch gesagt, lieb aus der Wäsche geschaut. Für die föderalen Strukturen spricht etwa auch, dass unsere Krisenstäbe auf Bezirksebene hervorragende Arbeit geleistet haben. Da kennen sich die handelnden Personen, sie kennen die Strukturen und sie kennen die Probleme vor Ort wesentlich besser.

100 Jahre Bundesverfassung, 75 Jahre Zweite Republik, 25 Jahre EU-Mitgliedschaft: Fallen diese Jubiläen Corona zum Opfer?

Sie sind insofern ein bisschen zu kurz gekommen, weil es die ursprünglich geplanten größeren Veranstaltungen nicht geben konnte. Aber wir haben am 19. Mai mit einem Festakt im Landtag dieser Jubiläen gedacht, leider war es covidbedingt nicht möglich, die Jubiläen unter Einbeziehung der Bevölkerung zu begehen.

Wie lange wird der Landtag noch im Ausweichquartier im Ursulinenhof tagen?

Wir werden im August eine Entscheidung treffen, wie wir die ersten Sitzungen im Herbst abhalten. Aufgrund der aktuellen Situation gehe ich aber davon aus, dass wir mit den Plenarsitzungen im Ursulinenhof und mit den Auschusssitzungen in den Redoutensälen bleiben, weil Vorsicht bekanntlich die Mutter der Porzellankiste ist.

Wir stehen ein Jahr vor der Landtagswahl. Welches Klima erwarten Sie für die Landtagssitzungen bis September 2021?

Grundsätzlich haben wir in Oberösterreich ein gutes politisches Klima. Von Seiten eines politischen Mitbewerbers gibt es aber sehr wohl Anzeichen, frühzeitig und entsprechend aggressiv in den Wahlkampf zu starten.

Sie meinen damit wohl die SPÖ, die sich selbst in letzter Zeit verstärkt als Opposition darstellt – was so aufgrund des Proporzsystems nicht stimmt. Bedauern Sie, dass es im Landtag das Spiel hier Regierung, da Opposition nicht gibt?

Es geht nicht ums Bedauern, man muss vielmehr der Realität ins Auge sehen. Eine Änderung der Regierungsform geht nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit, aber da haben wir das nächste Kuriosum: Jene Partei, die immer mehr Kontrollrechte fordert, tritt am absolutesten gegen eine Änderung der derzeit Regierungsform auf.

Soll es bei der sechsjährigen Legislaturperiode bleiben, die meisten Bundesländer haben ja fünfjährige Perioden?

Absolut, weil alles dafür spricht. Aufgrund der sechsjährigen Legislaturperiode gibt es die Möglichkeit, volle fünf bis fünfeinhalb Jahre für die Menschen im Land zu arbeiten. Nach einer Wahl braucht eine Regierung eine gewisse Einarbeitungszeit, vor einer Wahl besteht auch einige Zeit ein gewisser Stillstand. So gesehen ist Oberösterreich mit den sechs Jahren sehr gut bedient.

Gibt es für den Landtagspräsidenten im Sommer eine Zeit ohne Politik?

Für den Landtagspräsidenten gibt es auch während des Jahres immer wieder ganz bewusst Phasen, in denen er sich nicht jede Minute mit Politik auseinandersetzt. Denn ich bin der Meinung, wir dürfen über Familie nicht nur reden, sondern wir müssen sie auch leben. In diesen Zeiten geht es nicht um Politik, sondern um die vielen anderen schönen Dinge im Leben.

Wie wird die Familie Stanek in diesem Sommer diese politikfreie Zeit verbringen?

Obwohl wir große Reisefreaks sind, werden meine Frau und ich ab nächster Woche einen gemeinsamen Urlaub in Gardenien – sprich daheim – verbringen.

Mit Landtagspräsident WOLFGANG STANEK sprach Markus Ebert

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