Landwirte fordern neue Regeln für den Welthandel

Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger kritisiert Steuerprivilegien für Schiffe, Flugzeuge und Internet-Giganten

Landesrat Max Hiegelsberger.
Landesrat Max Hiegelsberger. © Land OÖ/Wakolbinger

Lehren aus der globalen Corona-Krise zieht Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger im VOLKSBLATT-Interview. Er wendet sich gegen steuerliche Privilegien im Transport, aber auch gegen eine Abschottung der Märkte.

VOLKSBLATT: In China grassiert die Schweinepest, das Land kauft den Weltmarkt leer und treibt für Europas Konsumenten die Preise nach oben. Gleichzeitig bricht der Handel mit Rindfleisch in Europa zusammen und bringt auch österreichische Bauern in Existenznöte. Ist der weltweite Handel mit Agrarprodukten ein Irrweg?

HIEGELSBERGER: Da muss man in der Bewertung mit Blick auf China aufpassen! Der Teil, der aus Österreich nach China geht, wird bei uns nicht mehr gegessen. Wir haben zwar rechnerisch 100 Prozent Eigenversorgung, essen in Österreich aber nur mehr 60 Prozent des Schweines.

Zählen die preislich so anziehenden Schweinebäuche auch quasi zur Ausschussware?

Bei uns nicht so hoch betitelte Fleischteile wie Kopf, Füße oder Schwanz oder Innereien gehen ganz stark in die asiatischen Exportländer. Dazu zählt auch immer wieder der Schweinebauch.

Heißt in der Beurteilung der derzeitigen Vorgänge auf den internationalen Agrarmärkten nun ganz konkret was?

Das muss man differenziert sehen. Beispiel Rinderhaltung und Rinderproduktion in Österreich: Das hängt mit der Struktur unseres Landes zusammen, wo der Großteil eben Grünland ist, das nur über Wiederkäuermägen für den menschlichen Verzehr zugänglich gemacht werden kann. Daher sind wir im Rindfleischbereich stark engagiert. Daher kommt auch die Produktionsmenge, die höher liegt als der Eigenverbrauch in Österreich.

Aber zurück zum Schweinemarkt, der Österreichs Konsumenten derzeit beträchtliche Preiserhöhungen beschert…

Der Schweinemarkt war schon immer ein sehr internationaler Markt. Wir sind dabei aber in der glücklichen Lage, dass wir einen Großteil der Ferkel im eigenen Land produzieren können. In Deutschland zum Beispiel hat die Preisentwicklung der letzten Jahre viele der Betriebe ruiniert. Es war also höchst notwendig, dass im Schweinebereich die Preise steigen. Auf Dauer brauchen wir Preise, die Bauern und Verarbeitern ein wirtschaftliches Leben ermöglichen.

Muss der österreichische Konsument also letztlich in Form von Preiserhöhungen die Zeche dafür zahlen, dass China dabei ist, 40 Prozent des Weltmarktes für Schweinefleisch aufzukaufen?

Überspitzt formuliert ja, aber umgekehrt sichert der Konsument damit die Erzeugung und Verarbeitung von Schweinefleisch in Österreich ab.

Gibt es aus Ihrer Sicht bereits darüber hinausgehende Rückschlüsse aus der Corona-Pandemie, was die künftige Ausrichtung der Landwirtschaft in Oberösterreich anbelangt?

Ganz eindeutig! Wir brauchen eine Neubewertung und einen neuen Rahmen für globales Wirtschaften! Damit lehnen wir aber die Globalisierung nicht ab, die wir ja als stark exportorientierte Wirtschaft brauchen — auch im Agrarbereich.

Heißt konkret?

Wir brauchen eine fairere Ausrichtung der Rahmenbedingungen. In Österreich wird beispielsweise Mineralölsteuer fällig, wenn Landwirte auf den Feldern tätig sind, auch für Transporte zum Schlachthof und später vom Schlachthof zum Handel. Umgekehrt kommen aber Fertigprodukte per Schiff oder Flugzeug steuerfrei nach Europa. Das ist keine Chancengleichheit im Wettbewerb. Eine zweite wesentliche Schlussfolgerung lautet: Wohlstand wird in Europa über Wohlstand vernichtet.

Klingt spannend, aber, was steckt hinter dieser Aussage?

Internationale Konzerne wie Google, Amazon oder Alibaba machen in Österreich riesige Geschäfte, ohne sich in Österreich über die Mehrwertsteuer zu beteiligen. Das ist eine enorm unfaire Behandlung gegenüber jedem Betrieb in Österreich! Auch da braucht es einen neuen Rahmen. Zumal sich die Natur trotz der Corona-Krise nicht langsamer oder positiver verändert.

Heißt also, dass die klimatischen und biologischen Rahmenbedigungen für die heimische Landwirtschaft weiter herausfordernd bleiben werden, Unterstützung nötig ist?

Wir kommen schon wieder in die Trockenheit hinein und müssen aus der Krise heraus neue Chancen in der Natur sehen.

Der von der EU vorgelegte Green Deal kann für die heimische Landwirtschaft also zu einem Sprungbrett in eine gute Zukunft werden?

Richtig! Noch nie war die Chance so groß! Es braucht als eine Lehre aus der Corona-Krise ein klares Bekenntnis zur bäuerlichen Landwirtschaft. Die garantiert nämlich die Versorgung.

Ihr Zwischenfazit in der Corona-Krise lautet also zusammengefasst: Nicht restriktiver werden oder Handelsbarrieren aufbauen, aber sehr wohl am Weltmarkt für Chancengleichheit unter den Anbietern von Agrarprodukten sorgen!

Genau richtig.

Der Green Deal der EU beinhaltet ja eine stark ökologisch ausgerichtete Neuorientierung des Wirtschaftens in Europa. Gerade für Bauern in der Vergangenheit oft ein Schreckgespenst. Wo sehen Sie die Chancen für Bauern?

Es muss ein Selbstverständnis werden, dass wir vor allem in den öffentlichen Küchen gar nicht mehr lang nachdenken, welche Produkte wir verkochen. Die müssen einfach aus der Region kommen oder zumindest aus Österreich mit dem AMA-Gütesiegel! Es wäre ja nicht erklärbar, dass wir uns beispielsweise als Bundesheer, Krankenhäuser, Sozialeinrichtungen oder Schulen in der Krise wechselseitig so dringend brauchen, uns danach aber nicht mehr unterstützen würden.

Schenken Sie Ankündigungen der Konsumenten in aktuellen Meinungsumfragen Glauben, künftig stärker auf regionale Produkte zuzugreifen?

Das kann eintreffen, wir müssen dafür aber den Rahmen richtig setzen. Die neue Herkunftskennzeichnung ist ja zwischen ÖVP und Grünen im Regierungsabkommen paktiert, muss jetzt aber rasch in Umsetzung gehen! Dann braucht es aber für den öffentlichen Bereich flankierende Maßnahmen. Klar ist für mich: Kann sich der Konsument beispielsweise bei Geflügel aussuchen, ob er Fleisch aus Polen, Ungarn oder Österreich genießen möchte, werden sich viele für österreichische Ware entscheiden, auch, wenn diese vielleicht etwas mehr kostet. Die Frage ist und bleibt aber: Kann sich der Konsument in den Kantinen überhaupt entscheiden?

Ein Sprichwort besagt: Eine Katastrophe kommt selten allein. Das Agrarjahr 2020 steht ja auch abseits von Corona unter keinem guten Stern. Stichwort Trockenheit. Stichwort Borkenkäfer. Wie fällt Ihre Prognose aus?

Es wird wieder angespannt. Viele Ackerböden konnten Feuchtigkeit sehr gut speichern, aber im Grünland wird es wieder enorm schwierig. Und das zweite große Thema wird das Thema Wald.

Wie schlimm sind die Vorzeichen für den Borkenkäferbefall in unseren Wäldern?

Wir sind heuer im Vergleich zehn Tage früher mit dem ersten Borkenkäferflug. Die Bäume sind durch die fehlenden Niederschläge geschwächt. Es wird also wieder ein Drama werden. Es kann daher nur den dringenden Appell an die Partner in der Holzbranche geben: Wir müssen trachten, dass das Schadholz schnell aus der Waldnähe weggebracht wird und der Abtransport in die Sägewerke oder Zwischenlager garantiert wird.

Mit Agrar-Landesrat MAX HIEGELSBERGER sprach Harald Gruber

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