Erwachsen geworden

VW hat sich die Kritik zu Herzen genommen und den kompakten ID.3 beim Facelift grundlegend überarbeitet. Herausgekommen ist ein deutlich gereiftes E-Auto, das – zu einem stolzen Preis – in vielerlei Hinsicht positiv überrascht.

VW galt – gelinde ausgedrückt – als zögerlich bei der Elektromobilität. Dabei hatte die Wolfsburger Marke bereits in den 1970er-Jahren einen elektrisch betriebenen Golf im Portfolio. In den 2010er-Jahren dann wagte sich VW etwas stärker an das Thema heran, man denke an den e-Up oder den e-Golf, aber Zug zum Tor sah anders aus. Der Gamechanger, wie man neudeutsch so sagt, war dann die Etablierung der Submarke ID und deren erster Spross war anno 2020 der ID.3 als potenzieller Golf-Nachfolger; nur halt mit elektrischem Antrieb.

Aber was sind die Wolfsburger für den kompakten Erstling damals gescholten worden! Nicht hübsch genug! Zu teuer! Schlechte Verarbeitung. Mindere Materialqualität. Und das neu gestaltete – deutlich reduzierte – Cockpit sei auch misslungen. Nun gut, manche Kritik – etwa puncto Materialqualität und Verarbeitung war berechtigt – aber auch sonst war die Zeit damals VW nicht hold. Corona lässt grüßen und so wurde der kompakte ID.3 nicht der bahnbrechende Erfolg.

Aber jetzt gibt es ja das Facelift des 4,36 Meter langen Viersitzers und man kann nur anerkennend sagen: VW hat sich die Kritik zu Herzen genommen und beim Außendesign, Innenraum und Software sind die Verbesserungen spürbar; und zwar in jeder Hinsicht. Von außen zu erkennen ist das Facelift übrigens an der neu gestalteten Frontpartie, den geänderten Rückleuchten und einer insgesamt rundlicheren Form. Innen dominiert noch immer Hartplastik, aber die Verarbeitung ist nun spürbar besser. Im Innenraum gibt es nun beispielsweise neue Türverkleidungen und Sitzbezüge aus Microfaser, die zu 71 Prozent aus Rezyklat bestehen. Dazu sind die Oberflächen am Armaturenbrett jetzt mehr weich unterschäumt, was sich insgesamt positiv bemerkbar macht. Darüber hinaus ist die Software des Infotainmentsystems bei weitem nicht mehr so träge.

Knöpfe sind indessen nicht ins Cockpit zurückgekehrt und die Touchslider für Temperaturregulierung und Lautstärke müssen ID.3-Fahrer wohl oder übel akzeptieren. Bei der Anordnung der Instrumente hat sich wenig getan. Der Fahrer blickt immer noch auf ein 5,3 Zoll kleines Instrumenten-Display mit rudimentären Anzeigen. Die Kommandozentrale bleibt der zwölf Zoll große Touchscreen Die Darstellung des Betriebs- und Bediensystems überwältigt einen nicht gerade durch grafische Opulenz, ist eher schlicht gehalten, aber dadurch ist die Handhabung eingängig.

Nichtsdestoweniger ist der optisch glattgebügeltere ID.3 Pro S, der mit 77 Kilowattstunden großem Akku und ein paar Extras stolze 59.180 Euro kostet, auch fahrtechnisch nun deutlich ausgereift, wobei der 204-PS-Heckmotor und die deutlich mehr als 400 Kilometer Realreichweite positiv erwähnt werden sollten. Denn mit 16,7 Kilowattstunden Verbrauch erweist sich der ID.3 als Sparmeister. Die vorausschauende, intelligente Rekuperation ermöglicht darüber hinaus eine smoothe Fahrweise, wobei man den Tacho immer im Auge behalten sollte. Denn ein Spurtmeister ist der 1900 Kilo schwere ID.3 auch – und auch wenn die Lenkung ein wenig synthetisch wirkt, kann er doch mit präziser Steuerung, aufmerksamen (teils nervösen) elektronischen Helferlein, bombastischen, fein dosierbaren Bremsen und einem sportlich-straffen Fahrwerk aufwarten. Und letztendlich überzeugt der ID.3 auch an der Ladesäule: Mit 130 Kilowatt und mehr nimmt er den Gleichstrom in ihn auf, sodass Ladestopps hurtig erledigt sind.

Fazit: In Wahrheit ist das Update viel mehr als ein Facelift – es ist ein rundum gelungener Neustart, um doch noch einen echten „Volkswagen“ im E-Auto-Zeitalter auf die Straßen zu bringen. Die Gefahr ist nur, ob es dafür nicht schon reichlich spät ist.

Text & Fotos: Oliver Koch

Das könnte Sie auch interessieren