Evangelium nach Markus – Aussendung der zwölf Jünger (Mk 6,7-13):
Jesus rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geisterund er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel,kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst!Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis.Und sie zogen aus und verkündeten die Umkehr.Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.
Die Wanderradikalen und der Katakombenpakt
Aus seiner Anhängerschar hatte Jesus 12 Männer berufen, deren Zahl die 12 Stämme Israels dh. die Gesamtheit des Gottesvolkes repräsentiert (Mk 3,13-19). Zur Berufung gehört auch ein Auftrag bzw. Sendung (lateinisch: Mission).
Jesus „sandte sie aus“, daher das griechische Wort „Apostel“, das „Gesandte, Missionare“ bedeutet. Die Zwölf sollen das tun, was Jesus getan hat, nämlich predigen (1,15: „Kehrt um und glaubt an die Frohe Botschaft“) sowie heilen und die unreinen Geister austreiben, dh. die körperliche und seelische Gesundheit der Menschen wiederherstellen. Und sie „salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie“.
Die Salbung wird zum Symbol (Sakrament) der Heilung (Jak 5,14). Das Öl bedeutet die Kraft (Energie), die den Kranken fehlt. Das Sakrament der Krankensalbung (nicht letzte Ölung!) hat hier seinen Ursprung. Das Wort Gottes und die Sakramente sind heilsam für die Menschen, sind wie eine Tankstelle für die Erneuerung unserer Kräfte.
Die Apostel ziehen „zu zweit“ aus, nicht nur wegen der gegenseitigen Hilfe (Koh 4,9-12: „Zwei sind besser zusammen als einer allein“), sondern auch als Zeugen (es braucht mindestens zwei Zeugen zur Wahrheitsfindung, vgl. Dtn 19,15; Mt 18,16): Zeugen für das Wort Gottes und auch für das Gericht im Falle einer Ablehnung: „Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis.“ Nicht einmal der Staub aus dem ignoranten Gebiet soll an den Aposteln haften. Die gute Nachricht (Evangelium) wird zum Gericht für diejenigen, die sie ablehnen.
Die Regeln für die Wandermissionare sind einfach und radikal: möglichst wenig mitnehmen, denn sie verkünden ja nicht materiellen Wohlstand oder ein Konsumparadies, sondern das Himmelreich. Sie können einen Wanderstab tragen (Schutz gegen wilde Tiere) und Sandalen, aber zwei Hemden (Tuniken) galten schon als Luxus. Sie sollten kein Geld annehmen oder Proviant zurücklegen, sondern um das tägliche Brot bitten.
Denn sie leben von der großzügigen Gastfreundschaft der christlichen Familien und Gemeinden. Diese sollen sie nicht missbrauchen, weder ausbeuten noch verachten: „Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst!“. Das macht Sinn, wenn man an die Gründung einer christlichen Gemeinde denkt (vgl. Apg 9,43; 12,12; 16,14-15.40; 18,1-3).
Diese Wanderradikalen sind es, die das Evangelium dann im ganzen Mittelmeerraum und Nahen Osten verbreiten (vgl. die Reisen des Paulus in der Apostelgeschichte). Mehrere Heilige ließen sich von diesen Worten inspirieren (Antonius der Große, Franziskus). In den Ordensgemeinschaften soll dieser einfache Stil konkret werden.
Der Stil dieser Wandermissionare ist sehr einfach und radikal, behält aber auch heute noch seine Gültigkeit. Wenn man eine spirituelle Botschaft verkündet, kann das Materielle nicht im Vordergrund stehen. Materielle Hilfsmittel wie Gebäude, Kunst, Medien können der Verkündigung dienlich sein, aber ersetzen nicht die persönliche Begegnung mit Christus und seinen Zeugen. Es erfordert Einfachheit und Kohärenz mit der spirituellen Botschaft des Glaubens (Gottvertrauen).
Eine interessante Aktualisierung dieses Evangeliums ist der „Katakombenpakt“ mehrerer Bischöfe (initiiert von Helder Câmara u.a.): Am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (1965) unterzeichneten sie eine Selbstverpflichtung zu einem einfachen Lebensstil und zum Dienst an den Armen. Die wesentlichen Punkte dieses Paktes:
- Wir wollen so leben, im Blick auf Wohnung, Essen und Verkehrsmittel, wie die Menschen um uns herum.
- Wir verzichten darauf, auch was unsere Amtskleidung angeht, als Reiche zu erscheinen.
- Wir wollen weder Immobilien noch Mobiliar besitzen.
- Wir lehnen es ab, mit Titeln angesprochen zu werden.
- Wir werden jeden Eindruck vermeiden, Reiche und Mächtige zu bevorzugen.
- Wir wollen uns vor allem den Benachteiligten und Unterentwickelten zuwenden.
- Unsere sozialen Werke, die wir unterstützen, sollen sich auf Liebe und Gerechtigkeit gründen und Frauen und Männer in gleicher Weise im Blick haben.
- Das Gleiche wollen wir durch unseren Einsatz bei den Verantwortlichen unserer Regierungen durchsetzen.
Laut Luigi Bettazzi (Bischof von Ivrea), dem zuletzt letzten lebenden Erstunterzeichner des Paktes, setzt Papst Franziskus durch seinen Lebensstil und seine Amtsführung die Ideen des Katakombenpaktes um. 2019 wurde am selben Ort während der Amazonas-Synode der „Katakombenpakt für das Gemeinsame Haus“ geschlossen (Mitunterzeichner Bischof Erwin Kräutler).
Autor: P. Christian Mayr OSB, Stift Kremsmünster