Von Kopf bis Flosse oder Traunsee grüßt Japan

Lukas Nagl, Koch des Jahres 2023, über Lieblingsgerichte, Fischbestände und gesundes Essen

Er ist 37, aus Schörfling am Attersee und er hat als Koch eigentlich schon alles erreicht. Nach Stationen im Steirereck in Wien, in der Schweiz und New York kocht Lukas Nagl seit 13 Jahren im Bootshaus im Hotel „Das Traunsee“ in Traunkirchen.

VOLKSBLATT: Wie sind Sie zum Kochen gekommen?

LUKAS NAGL: Es hat mir als Kind schon getaugt, wenn Gäste da waren. Ich bin oft bei der Mama in der Kuchl gewesen und habe mitgekocht. Heikel war ich auch und so habe ich immer etwas extra gebraucht. Meine Mama hat irgendwann gesagt: Das musst du dir jetzt selber machen und dann habe ich als Vierjähriger auf einem Schemel am Herd stehend Grießkoch gekocht. Zuerst wollte ich Bauer werden, das bin ich im Herzen immer noch: Ich habe sieben Hennen und einen Gockel. Meine Eltern haben mich dann in die Tourismusschule in Ischl geschickt und das hat super gepasst.

Gibt es etwas, das Ihnen gar nicht schmeckt?

Ich mag es nicht, wenn ich nicht mehr weiß, was ich da esse, wenn es undefinierbar wird, weil schon so viel zusammen geschmissen wird. Ich koste aber alles, man muss viel probieren, um zu wissen, was einem schmeckt.

Anders gefragt: Was essen Sie am liebsten?

Ein Lieblingsgericht habe ich nicht. Es ist nur wichtig, wer es macht und in welchem Rahmen man was isst. Alles, was die Mama kocht, ist immer noch das Beste. Freunde machen sich immer großen Stress, wenn sie für mich kochen, aber ich bin eigentlich mit dem ganz Einfachen zufrieden. Eine gute Jause ist ein Highlight oder ein Schnitzel.

Sie sind in der Oberliga angekommen. Last oder Ansporn?

Perfektion gibt es nicht, das Leben ist eine ständige Weiterentwicklung und ein ständiges Streben danach, besser zu werden. Und wenn man etwas gern macht, macht man es auch gut. Die Basis, auf der ich meine Glückseligkeit aufbaue, ist, dass ich zufrieden mit mir selber bin, mir nichts zuschulden kommen lasse. Das Berufliche — für mich Berufung — ist das eine. Das andere ist meine Familie, meine drei Kinder und meine Frau. Ich wohne mit meinen Eltern in einem Drei-Generationen-Haus, das bereitet mir große Freude.

Was läuft heute falsch in der Gastronomie?

Es ist in den letzten Jahrzehnten viel vergessen worden, dass auch die Mitarbeiter Freude daran haben sollten. Wir im Bootshaus schauen darauf, dass die Leute Freude haben, gut bezahlt werden, Schulungen machen können, … Im Betrieb bin ich ein wichtiges Radl, aber genauso wichtig ist der Spüler und alle anderen. Viele reden im Spitzensport von Mental Coaching, aber im Berufsleben nicht und das brauchst du genauso. Was wir machen, ist wie Spitzensport. Da ist schon Druck drauf, und mit dem musst du umgehen können.

Wie würden Sie Ihren Stil zu kochen beschreiben?

Ich bin mit 24 Küchenchef geworden. Da musst du viel ausprobieren und auch viel schiefgehen, damit du lernst, wie es geht. Wir kochen heute nach dem Motto: Die Region am Teller, die Welt im Herzen. Fisch, Fleisch, Obst und Gemüse haben denselben Stellenwert. Wir nennen das Wandel der Werte: Es wird künftig Fleisch und Fisch gegessen werden, aber der pflanzliche Part muss mehr Rolle spielen. Alles, was hier wächst, hat auch Bestand. Die österreichische Küche hat immer Dinge integriert, Gulasch aus dem Ungarischen, Strudelteig von den Osmanen. Und so müssen wir arbeiten, indem wir Einflüsse aus der ganzen Welt aufnehmen. Da ist etwa Japan naheliegend, die kochen fast nur mit Fisch und Gemüse, haben eine sehr produktfokussierte Küche, das trifft auch im Bootshaus den Nag(e)l auf den Kopf.

Sie erzeugen auch eigene Produkte.

Ich wollte kein Bio-Gemüse aus OÖ mit einer Sojasauce mit genverändertem Soja und von irgendwoher verhunzen, deshalb mache mit meinen Partnern eigene Miso-Pasten und Sojasaucen (Anm., Firma Luvi Fermente). Etwa mit dem Presskuchen vom Kernöl Kürbiskernmiso, aber auch Gersten- und Mohnmiso. Das schmeckt großartig und ist extrem gesund. Wir stellen Glutamat natürlich her.

Wie setzen Sie diese Produkte ein?

Man kann sie zu einem Brotaufstrich machen oder einer Suppe beimengen und gleichzeitig Salz reduzieren, weil es auch für eine gewisse Würze sorgt. Das bringt Umami rein, den fünften Geschmack aus der japanischen Küche, alles schmeckt feiner und runder.

Wie haben Sie herausgefunden, wie Sie kochen wollen?

Ich war mit meiner Frau ein halbes Jahr auf Sansibar, dort habe ich gelernt, wie ich als Koch arbeiten will: Nämlich aus dem, was es gerade gibt, etwas zu machen. Ich habe das im Herzen behalten und es Stück für Stück umgesetzt. Wir präsentieren dem Gast im Bootshaus die Hauptprodukte. Man muss die Leute auf eine Reise mitnehmen, zeigen, so schaut die Saison aus und wir gehen auf eure Allergien, Unverträglichkeiten ein. Das ist gut für die Küche, wir schmeißen nix weg, für den Betrieb, für Nachhaltigkeit, für die Mitarbeiter.

Lieblingsthema Fisch: Wie sieht es mit dem Bestand im Traunsee aus?

Beim Fisch wird der Bestand nicht weniger, sondern anders. Ich bin jetzt 13 Jahre da, am Anfang gab es fast nur Reinanken. Mittlerweile ist mein Brotfisch der Barsch. Der wird immer mehr, weil er nahrungstechnisch begünstigt, ist von der Wassertemperatur. Das meiste für meine Küche kommt aus dem Traun- und dem Attersee, ein bissl was aus dem Mondsee, alles Wildfang. Aus dem Attersee etwa habe ich viele Aale, Perlfische, sehr viel Hecht, Saibling, Brachse, Aalruten, aus dem Traunsee schon noch mehr Reinanken und Brachsen. Insgesamt zwischen 25 und 30 Fischarten. Im Sommer kommt jetzt übrigens mein Buch zum Fischgrillen raus.

Wie kam es, dass Fisch für Sie so wichtig wurde, der From Nose To Tail, also von Kopf bis Flosse, verarbeitet wird?

Ich bin in das Thema ein wenig reingerutscht. In der Kindheit war ich mit meinem Onkel fischen. Und in Afrika gab´s halt auch immer Fisch. Dort hat man ihn auf dem Fischmarkt ersteigert, und zwar stets den gesamten Fang eines Fischers. Das gibt Abnahmesicherheit für den Fischer und man fordert und fördert die Kreativität des Kochs. Das habe ich hier auch eingeführt.

Wie bringt man Kindern bei, Gesundes zu schätzen?

Indem wir wieder die Verantwortung übernehmen für unseren Körper, unsere Gesundheit und unsere Ernährung und das nicht abgeben an die Industrie. Bei uns heißt es: Boah, das ist aber gesund und das impliziert grauslig. In Japan sagt man: Essen ist Medizin, und wenn etwas gut schmeckt, impliziert das, dass man dadurch gesund bleibt. Wir brauchen Kompetenz. Gesunde Küche kann großartig schmecken.

Am 1. Juli hat das aus- und umgebaute Hotel Post in Traunkirchen wiedereröffnet.

Auch dort kümmere ich mich um die Kulinarik. Das Wirtshaus bleibt, wie es ist, oben wird es die Belétage neu geben, eine Art Wohnzimmer, das am Nachmittag aufsperrt, wo man Cocktails und Wein trinken und Kleinigkeiten essen kann, die man sich teilt.

Interview: Melanie Wagenhofer

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