Lebensmittel: „Ab Jahresmitte wird es kritisch“

Vivatis-Chef Gerald Hackl erwartet starke Preissteigerungen der Produktpalette infolge des Ukraine-Kriegs

Der Knödelhersteller Weinbergmaier mit Sitz im oberösterreichischen Wolfern musste während der Corona-Krise wegen der Lockdowns in der Gastronomie schwere Abstriche machen. Mittlerweile hat sich das Geschäft erholt.
Der Knödelhersteller Weinbergmaier mit Sitz im oberösterreichischen Wolfern musste während der Corona-Krise wegen der Lockdowns in der Gastronomie schwere Abstriche machen. Mittlerweile hat sich das Geschäft erholt. © Weinbergmaier

Gerald Hackl, Chef der Vivatis Holding AG, rechnet heuer ab Jahresmitte mit starken Preissteigerungen bei Lebensmitteln. „Im ersten Halbjahr sind wir bei Rohware, Backwaren, Verpackungen usw. gut versorgt, aber im zweiten wird es kritisch“, sagte Hackl im Gespräch mit dem VOLKSBLATT.

Es habe eine derartige Situation noch nicht gegeben, auch nicht bei Corona: „Das war schlimm, weil uns der Umsatz in einigen Bereichen komplett weggebrochen ist, aber wir haben das mit Effizienzsteigerung, Strukturanpassung und Innovationen auffangen können.“

Bomben auf Zulieferer

Jetzt, so Hackl, gehe es darum, die Rohstoffe überhaupt zu bekommen. „Wenn dir ein Zulieferer von Gläsern sagt, dass er nicht liefern kann, weil seine Fabrik in der Ukraine bombardiert worden ist – da brauch ich nichts mehr dazu zu sagen.“

Der Knödelhersteller Weinbergmaier mit Sitz im oberösterreichischen Wolfern musste während der Corona-Krise wegen der Lockdowns in der Gastronomie schwere Abstriche machen. Mittlerweile hat sich das Geschäft erholt.Gerald Hackl, CEO der Vivatis Holding AG mit Sitz in Linz: „Eine solche Situation wie jetzt hat es noch nicht gegeben - auch nicht bei Corona.“ Die Folgen des Ukraine-Krieges spürt der Konzern in allen 25 Gesellschaften mit deutlichen Preissteigerungen bei Rohwaren, Kartonagen, Glas, Energie etc.
Gerald Hackl, CEO der Vivatis Holding AG mit Sitz in Linz ©Vivatis

Er sei entsetzt und persönlich zutiefst betroffen, was in der Ukraine passiere. „Dass ein Konflikt im 21. Jahrhundert auf diese Weise ausgetragen wird, schockiert mich.“

Enormer Preisanstieg

Die wirtschaftlichen Folgen bekomme Vivatis, mit 25 Konzerngesellschaften einer der größten Lebensmittelverarbeiter Österreichs, wie andere unmittelbar zu spüren: „Die Rohstoffpreise bei Lebensmitteln sind enorm gestiegen – da reden wir nicht von fünf oder zehn, sondern von 200 oder 300 Prozent.“

Es betreffe viele Bereiche, darunter Rapsöl, Sonnenblumenöl, Getreide, Fruchtzubereitungen und Tomatenmark. Verteuert habe sich so gut wie alles: Kartonagen, Folien, Glas. Über das gesamte Einkaufsportfolio der Gruppe werden die Kosten heuer um 30 bis 40 Millionen Euro steigen. Hackl: „Da reden wir noch gar nicht von den Energiekosten.“ Diese haben sich für den Großverbraucher (18 Standorte) versechs- bis versiebenfacht. Vivatis habe tausende Kunden, mit denen die Preise nun neu verhandelt werden müssen. Hackl: „Früher haben wir mit dem Lebensmittelhandel über Zehntel-Prozente bei Preissteigerungen gesprochen, jetzt reden wir von 10, 20, 50 oder 100 Prozent.“

Er hoffe auf Verständnis und Fairness bei den Verhandlungen – „aber auch wir müssen als ordentlicher Kaufmann handeln und werden die Steigerungen weitergeben müssen.“ Mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr ist Hackl zufrieden. Die Folgen von Corona – in zwei Jahren fielen 250 Millionen Euro Umsatz weg – – wurden weitgehend überwunden.

Herausforderung Corona

Corona stellte das Unternehmen vor große Herausforderungen: Ganze Bereiche sind quasi über Nacht von 100 auf 0 weggebrochen, etwa der Knödelhersteller Weinbergmaier oder der Fertigmenüproduzent Gourmet. Weinbergmaier mit Sitz in Wolfern produziert Knödel, Pommes, Grießnockerl, Kaiserschmarrn usw. für den Gastrobereich, der durch Lockdowns und Schließungen über Monate als Kunde komplett ausgefallen ist. Gourmet wiederum liefert täglich 300.000 Fertigmenüs österreichweit aus – an Schulen, Seniorenheime und Unternehmen. Durch Schulschließungen und Home-Office sind auch hier zehntausende Menüs weggefallen – allein beim größten Firmenkunden waren es 12.000 täglich. Nachdem keine Veranstaltungen stattfinden durften, ist auch der Caterer Gerstner stark in Mitleidenschaft gezogen worden.

Stolz ist Hackl, dass die schwierige Zeit ohne Freisetzungen von Personal durchgestanden werden konnte. Hackl: „Da hat uns die Kurzarbeit sehr geholfen.“ Rund 1600 der 3400 Mitarbeiter waren im Vivatis-Konzern mit 18 Standorten auf Kurzarbeit.

Schwerpunkte 2022 sind die Inbetriebnahme eines neues Daily-Logistikstandortes in Himberg, die weitere Expansion von Maresi im CEE-Raum sowie die Forcierung der Kooperation mit Ecofly (Proteine von Insektenlarven für nachhaltiges Fisch- und Nutztierfutter). Hackl: „Geplant ist die Errichtung einer Anlage, um dieses Geschäftsfeld kontinuierlich auszubauen und auch für den Markt entsprechende Volumina zu schaffen.“

Deutschland im Fokus

In Deutschland ist Vivatis auf der Suche nach Übernahmen. Ziel sei dort in den nächsten fünf Jahren mittels Akquisitionen um mehr als 50 Millionen Euro zu wachsen. Im Konzern erwartet der Vivatis-Chef heuer erstmals das Überschreiten der Milliardenmarke. Im Vorjahr erwirtschaftete die Vivatis Holding AG 968 Millionen Euro – ein Plus von rund 20 Prozent zu 2020. Ablehnend steht Hackl zu Nutriscore, das eine für ihn fragwürdige Einteilung in „gute“ und „schlechte“ Lebensmittel vornimmt.

Gegen Nutriscore

Hackl: „Das ist nicht der richtige Zugang und führt zu einer Irreführung der Konsumenten.“ Im Zusammenhang mit den Preissteigerungen sieht er auch eine Zeitenwende: „Lebensmittel werden eine neue Wertigkeit bekommen. Es wird weniger weggeworfen werden, was gut ist.“

Bei ihm selbst zu Hause werde gar nichts weggeworfen, so Hackl. Vivatis verarbeitet jährlich 100.000 Tonnen heimische Agrarrohstoffe zu Lebensmitteln. Bekannte Marken sind Inzersdorfer, Toni Kaiser und Knabbernossi.

Das könnte Sie auch interessieren