Lebenssinn schützt gegen Stress

Forscher der Uni Innsbruck und der Berliner Charité untersuchten den Zusammenhang von Lebenssinn und Selbstkontrolle mit der Corona-Pandemie. Herausgestellt hat sich, dass ältere Menschen mehr psychische Widerstandskraft haben als junge. Die großen Probleme kamen meist erst nach dem Lockdown im Frühjahr.

Mehr als 1500 Menschen in Österreich und Deutschland haben von Mitte April bis Ende Mai in Online-Fragebögen ihre Lebensbedingungen und Wahrnehmung der Corona-Pandemie beantwortet.

Sinnforscherin Tatjana Schnell vom Existential Psychology Lab der Uni Innsbruck und ihr Kollege Henning Krampe von der Charité in Berlin haben in dieser Studie das Hauptaugenmerk auf die Aspekte Sinnerfüllung und Selbstkontrolle gelegt. Dabei zeigt sich eindeutig, dass die allgemeine psychische Belastung während der ersten Monate der Pandemie deutlich erhöht war.

„Menschen, die in ihrem Leben einen starken Sinn sahen, berichteten aber von einer weniger starken psychischen Belastung. Auch die Fähigkeit der Selbstkontrolle – die im Hinblick auf die Einhaltung der Restriktionen sicherlich eine Ressource darstellt – war dem psychischen Befinden zuträglich.

Sinnerfüllung und Selbstkontrolle wirkten als eine Art Puffer: Sie schwächten den Zusammenhang zwischen Covid-19-Stress und psychischer Belastung ab“, erläutert Schnell. Interessant war für die Wissenschaftlerin dabei auch der Verlauf über mehrere Monat: „Die Probleme waren während des strikten Lockdowns offenbar weniger schlimm als danach. Die Einführung der Lockerungen hat dann nicht zu einer Verbesserung der psychischen Situation geführt – sondern im Gegenteil.“

Schnell und Krampe vermuten dahinter die Sorgenquelle der wirtschaftlichen Einbußen. Aber die Daten weisen auch auf einen möglichen Zusammenhang mit der Eindeutigkeit der Situation hin: Während der strengen Ausgangsbeschränkungen war die Lage für alle klar. Es gab eindeutige Vorgaben, alle waren sozusagen im gleichen Boot.

Die ,Wir packen das’-Stimmung hat sich für viele Menschen eher positiv ausgewirkt.“ Danach registrierten Schnell und Krampe sowohl zunehmende Sinnkrisen und schwerere psychische Belastungen als auch gesunkenes Sinnerleben und Defizite in der Selbstkontrolle.

Sinn der Restriktionen weniger nachvollziehbar

„Wir gehen davon aus, dass die Selbstkontrolle bereits kurz nach dem Lockdown – aber inzwischen auch gesamtgesellschaftlich gut beobachtbar – deshalb abgenommen hat, weil die Sinnhaftigkeit der Restriktionen weniger deutlich nachvollziehbar ist: In Österreich und Deutschland haben die Maßnahmen so gut funktioniert, dass die Situation (noch) nicht eskaliert ist, was dazu verführt, die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen in Frage zu stellen – das sogenannte Präventionsparadox.

Hinzu kommt, dass in den vergangenen Monaten die Kommunikation durch die Behörden weniger deutlich und nachvollziehbar war. Wenn die Sinnhaftigkeit aber nicht erkennbar ist, ist es für viele Menschen schwer, Selbsteinschränkungen auf Dauer aufrecht zu erhalten“, verdeutlicht Schnell.

Herauskristallisiert hat sich aber auch, dass ältere Menschen eine besondere Resilienz – psychische Widerstandskraft – zeigten. Sie hatten mit deutlich weniger negativen psychischen Konsequenzen zu kämpfen als jüngere. „Das Sinnerleben steigt mit dem Alter an, Ältere sind oft besser in der Lage, Metaperspektiven einzunehmen und profitieren in ihrer psychischen Stabilität stärker von ihrer Lebenserfahrung“, so die Forscher.

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