Lehárs „Der Zarewitsch“ wird in Bad Ischl zur Revue-Operette

Jubiläumssaison des Lehár-Festivals mit neuer Dramaturgie

Ein gereifter Zarensohn mit einer fulminanten Anne-Fleur Werner als Sonja: Bernhard Berchtold
Ein gereifter Zarensohn mit einer fulminanten Anne-Fleur Werner als Sonja: Bernhard Berchtold © fotohofer

138 Neuinszenierungen von 45 verschiedenen Operetten gab es zwischen I961 und 2019 beim Lehár-Festival Bad Ischl. Die Qualität stimmte bei allen Intendanten von Eduard Macku bis Thomas Enzinger mit ganz wenigen Ausnahmen. Das darf der Berichterstatter, der alle Aufführungen miterleben durfte, mit Fug und Recht behaupten. Was jetzt unter Enzinger geschieht, ist der endgültige Sieg der Revue-Operette, wie sowohl die vor einer Woche geschilderte „Csárdásfürstin“ von Emmerich Kálmán wie nun auch Franz Lehárs „Zarewitsch“ beweisen. Der Hauptakzent der Regie liegt darauf, das Schauvergnügen zusätzlich zum Genuss der genialen Melodien zu befriedigen. Bei der „Cárdásfürstin“ ist dies leichter als bei dem von den Librettisten Bela Jenbach und Heinz Reichert gestalteten „Zarewitsch“.

Aljoschas Sichtweise

Nun zur großartigen Inszenierung Isabella Gregors, die zu den erfolgreichsten Musiktheater-Interpretinnen zählt. Sie wandelt die Operette zu einer Sichtweise des Zarensohnes Aljoscha. Während in seinem von Toto wie der gesamte Bühnenrahmen grandios gestalteten Zarenpalast gleichsam ein Fest nach dem anderen gefeiert wird und de facto auch der Diener Iwan samt geheim geheirateter Partnerin Mascha diesem Heiterkeits-Klüngel angehört, ist der Zarewitsch in seiner eigenen Welt gefangen, aus der er erst von der ihm als Mann unterschobenen Sonja aus seiner Lethargie geweckt wird. Sonja tritt als Frau selbstbewusst in Erscheinung, die Liebesbeziehung entwickelt sich, bis die Politik eingreift. Der Heirat mit einer standesgemäßen Frau entzieht sich Aljoscha samt Sonja durch die Flucht nach Italien. Erst als der Zar, sein Vater, stirbt, verzichtet Sonja auf die Verbindung. Die Überraschung erfolgt durch einen Epilog: Als Ursache für das Liebes-Aus nennt die Tänzerin Sonja ihren geliebten Aljoscha. Sie habe die Pflicht, die Herrschaft des neuen Zaren zur Beachtung der Rechte des eigenen Volkes zu kontrollieren.

Faszinierende Darbietung

Die Gesamtleistung des Ensembles ist unter der ideenreichen, präzisen Leitung Isabella Gregors faszinierend. Neben Totos Bühnenbild bringt vor allem die Choreografie von Leon de Graaf Schaueffekte, der von Gerald Krammer studierte Bewegungschor und das akrobatisch geführte Tanzensemble bieten Außerordentliches.

Am Pult des wieder in Bestform agierenden Lehár-Orchesters steht Marius Burkert. Bernhard Berchtold in der Richard-Tauber-Partie ist kein jugendlicher, sondern ein gereifter Zarensohn. Etwa beim Wolgalied muss er noch sparen, um später mit der fulminanten, bis ins dramatische Sopranfach vorstoßenden Anne-Fleur Werner (Sonja) als lyrischer Tenorpartner zu punkten. Roman Martin als lwan und Theresa Dax, seit Raimunds Jugend im Theater in der Josefstadt ein echter Jungstar, als Mascha werden in den Partien des Buffopaares von den turbulenten Ereignissen etwas an den Rand der Handlung gerückt. Walter Sachers ist ein persönlichkeitsstarker Großfürst mit beeindruckender Sprechkultur, Florian Stanek wechselt zwischen emotionslosem Ministerpräsidenten und vivem Bordolo.

Als die Besucher aus dem Kongress & TheaterHaus in den Ischler Starkregen traten, erleichterten die künstlerischen Erfahrungen und Lehár´sche Melodien den Heimweg.

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Bis 28. 8.: 06132/23839; karten@leharfestival.at.

Von Ingo Rickl

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