LH Stelzer: „Das Miteinander werden wir auch weiter brauchen“

Für LH Thomas Stelzer geht es nun darum, Oberösterreich neu zu gestalten und es wieder stark zu machen

Anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der oö. Volkspartei interviewte TV-Moderator Gerald Groß OÖVP-Obmann LH Thomas Stelzer.

GROSS: In den ersten Maitagen des Jahres 1945, mitten in den Nachkriegswirren, wurde in Linz die Volkspartei gegründet. Das heurige Jubiläum fällt in die vielleicht seither größte Krise, die dieses Land, die Welt durchlebt. Wie kommt das Land wieder aus dieser Krise heraus?

LH STELZER: Ich glaube, dass gerade der Bezug auf unsere Gründungstage in schwierigsten Zeiten — ganz OÖ ist in Schutt und Asche gelegen — hilft, wenn wir sehen, mit wie viel Selbstbewusstsein und Zuversicht dieses Land groß gemacht wurde, wie erfolgreich es geworden ist. Es ist ein Fingerzeig, dass gerade wir zu diesem großen Jubiläum wieder eine große Herausforderung haben, aber gleichzeitig auch die Möglichkeit haben, da hoffentlich gut durchzukommen und OÖ wieder neu zu gestalten und es wieder stark zu machen.

Was hat die OÖVP in dieser Zeit erreicht, worauf darf sie und dürfen Sie als ihr Chef stolz sein?

OÖ ist in seiner ganzen gesellschaftlichen Breite sehr gut gestaltet worden. Natürlich sind wir ein Wirtschafts- und Arbeitsplatzland, das wollen wir bleiben und auch wieder stärker werden. Es ist aber immer auch darauf Wert gelegt worden, dass der ganze Mensch im Fokus ist: Wir haben uns zu einem tollen Kulturland entwickelt, das Miteinander im Sinne des Sozialwesens und das Gesundheitswesen wurden auf einem Topniveau ausgebaut. Das hilft uns jetzt in dieser Situation auch, und es wurde vor allem auch der Zusammenhalt in der Gesellschaft immer ganz großgeschrieben. Es ist eine Gesamtkomposition, die OÖ so vorzeigbar gemacht hat.

Sie haben in den vergangenen Jahren einen sehr strengen Kurs der Null-Schulden-Politik verfolgt. Wie sehr hilft Ihnen das jetzt, flexibler zu sein und mehr Spielraum zu haben?

Der hilft sehr, denn unser Anspruch war ja immer, in Zeiten, wo es uns gut geht, Schulden abzubauen und einen Polster anzulegen, damit wir dann diese Kraft einsetzen können, wenn sie gebraucht wird. Leider brauchen wir sie jetzt schon, so schnell hat niemand — auch ich nicht — damit gerechnet. Aber es gibt uns jetzt die Stärke, dass wir in der Breite helfen können, niemanden im Stich lassen müssen. Wir können schneller helfen als andere, stärker und haben jetzt auch mit einem eigenen OÖ-Paket 580 Millionen zusätzlich zum Bund aufgelegt, um schneller durch die Notsituation zu kommen.

Was wird sich denn verändern in der oö. Wirtschaft, aber auch in der Gesellschaft durch diese Corona-Krise?

Also das Miteinander werden wir auch weiter brauchen. Ich hoffe, dass wir uns das beibehalten können. Aber es wird sich die Produktionsweise, in der Industrie beispielsweise, die jetzt über die ganze Welt verteilt war, sicher so ändern, dass man wieder mehr auch in Europa, mehr am Standort Österreich und OÖ produzieren kann. Und wir haben auch gesehen, dass gewisse Güter, die wir in der Gesundheit, in der Pflege brauchen, einfach auch vor Ort da sein müssen.

Sie rechnen damit, dass man sich Teile der Wertschöpfungskette wieder zurückholt, dass Produktionen, die jetzt nach Asien ausgelagert waren, wieder zurückkommen in die Region?

Das ist sicher eine der Lehren, die uns diese Situation bringt, dass wir einfach auch wichtige Teile von Wertschöpfung und Produktion auch vor Ort machen können müssen, das muss sich ausgehen und da wollen wir auch einen Schwerpunkt darauf legen.

Wenn Sie sich die 75-jährige Geschichte der Volkspartei ansehen, gibt es jemanden, der Sie besonders inspiriert – oder inspiriert hat, ein Vorbild?

Zur Stärke der ÖVP, gerade in OÖ, gehört, dass wir unglaublich viele Persönlichkeiten haben, auch in den Regionen und Gemeinden, die einfach prägend gewesen sind oder es heute sind. Aber wenn man einen herausgreifen will, ist das sicher der legendäre LH Heinrich Gleißner, der nach dem Krieg der Gründungsvater des modernen OÖ gewesen ist. Und vor allem auch darauf geachtet hat, dass wir uns in allen Bereichen gut entwickeln und dass der Mensch mehr braucht, als nur Wirtschaft, als nur Arbeit, sondern dass es auch Kultur und Soziales geben muss. Dieser gesamthafte Ansatz ist vor allem auch mit Gleißner verbunden.

Vor 75 Jahren als neue christlich-soziale Volkspartei gegründet, steht sie natürlich für bestimmte Werte. Wie hat sich der Wertekatalog verändert und wofür steht die ÖVP heute?

Das Grundgerüst der ÖVP, der Wertekanon, ist eigentlich immer der gleiche: Wir setzen auf den Einzelnen, auf die Eigenverantwortung, auf die Freiheit des/der Einzelnen, auf das Eingebundensein in der Gemeinschaft, auf Verantwortung Übernehmen in der Gemeinschaft, auch auf das Getragenwerden von der Gemeinschaft, wenn man es braucht. Aber auch, dass wir eine Verantwortung tragen für die Welt um uns, für die Schöpfung. Natürlich ist die ÖVP in ihrem Auftritt weiblicher geworden, sie ist jünger geworden, die Methoden, wie wir uns miteinander unterhalten und austauschen können, sind moderner geworden.

Wann wird es den ersten digitalen Parteitag geben?

Werden wir sehen. Wichtig ist mir, dass wir in OÖ sehr bald und sehr früh auf die digitale Infrastruktur gesetzt haben. Das Breitband zügig ausgebaut haben und weiter ausbauen. Wir sehen jetzt, wie hilfreich das ist, und das werden wir auch weiter brauchen. Aber ehrlich gesagt ist mir sonst schon der persönliche Umgang lieber, auch bei Parteitagen.

Man spricht sehr viel von der Fragmentierung der Gesellschaft, also dass es sehr viele Einzelinteressen gibt. Einzelinteressen, die durch Einzelparteien — Nischenparteien —, besser abgedeckt werden können. Welche Berechtigung hat heutzutage eine Volkspartei?

Ich glaube, dass uns die momentane Situation gut zeigt, dass es immer auf den großen und gesamten Blick ankommt. Was wir jetzt zurzeit erleben, ist eine Gesundheitskrise. Aber gleichzeitig eine Krise für den Arbeitsplatz, für die Unternehmen, für viele andere Bereiche. Daher braucht man auch die Breite des Zugangs. Die oberösterreichische Volkspartei als große Volkspartei hat immer auch das Gesamte im Blick und wie man sieht, ist das heute aktueller und erforderlicher denn je.

Wir schreiben ja heute die Geschichte von morgen: Was würden Sie sich denn wünschen, was beim Jubiläum von 100 oder 150 Jahre OÖVP über Thomas Stelzer gesagt wird?

Dass da ein sehr gutes Team der OÖVP am Werk war in schwierigen Zeiten, das es geschafft hat, mit der Bevölkerung schneller als andere Regionen durch die Krise zu kommen und das Land wieder stark gemacht zu haben.

Wo sehen Sie die ÖVP in der unmittelbaren Zukunft?

Immer im Vorangehen, Verantwortung tragend, wir sind im Land die Nr. 1 – wir haben die Hauptverantwortung für dieses schöne Bundesland. Und die nehmen wir wahr und natürlich wollen wir diese starke Rolle auch weiterhin spielen und hoffen, dass wir den Zuspruch der Bevölkerung dafür bekommen.

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