Liebestraum einer großen Sängerin

Debüt von Starsopranistin Camilla Nylund im Linzer Brucknerhaus

Starsopranistin Camilla Nylund
Starsopranistin Camilla Nylund © Reinhard Winkler

Auf allen Weltbühnen feiert die finnische Sängerin Camilla Nylund in vielen Rollen des jugendlich-dramatischen Faches längst Triumphe. Nach Linz kam sie am Mittwoch, um sich als eine mit Sehnsucht erwartete Liedsängerin vorzustellen.

Der Mittlere Saal des Brucknerhauses ist fast zu klein geworden, ein derzeit coronabedingt seltener Anblick. Allerdings nicht überraschend bei der Berühmtheit und Sympathie der Künstlerin. Und doch konnte man sich nur langsam erwärmen für ihre zweifellos bis in alle Geheimnisse des Kunstliedes eingedrungenen Fähigkeiten.

Vielleicht war sie doch nicht so glücklich mit dem vorgegebenen Programm, das die Liebe der komponierenden Ehepaare Clara und Robert Schumann sowie Alma und Gustav Mahler enthielt.

Es hieß vor allem in die Traumwelt der schreibenden Ehefrauen einzutauchen, ihre Identität und Werke mit denen ihrer Gatten unwillkürlich zu vergleichen oder gegenüberzustellen. In der Frage der Qualität des schöpferischen Potenzials der Komponistinnen waren kaum Unterschiede zu verzeichnen. Sie konnten sich ohne geschlechtliche Relevanz miteinander messen.

Eine Stimme von strahlender Schönheit

Camilla Nylund lag das Schumannsche Ehepaar vermutlich näher als Alma und Gustav Mahler, was zweifellos schon durch das andersartige Leben und dessen Umstände bei beiden Komponisten gegeben ist. Damit auch ihre Beziehung zur Liebe. Anfangs mit den vier ausgewählten Liedern nach Friedrich Rückert bei Clara von der „Schönheit der Liebe“, später auch von Gustav Mahler zu hören. Beim Thema Liebe war Roberts bekannter Zyklus „Frauenliebe und Leben“ dann wohl auch intensiver empfunden.

Die strahlende Schönheit der sowohl lyrisch als auch mit dramatischer Attitüde eingesetzten Stimme der Kammersängerin, die großartige Führung, die reine Artikulation und Phrasierung und der kluge dynamische Einsatz von einem Pianissimo bis zu niemals übertriebener Lautstärke, das waren schon erfüllte Voraussetzungen für eine Liedinterpretation. Was dem Ideal eines faszinierenden Vortrags guttut, nämlich den gestalterischen Reichtum herüberzubringen, kam bei Liedern von Alma Mahler und den Rückert-Liedern von Gustav weniger vorteilhaft zum Ausdruck.

Sollte man annehmen, dass die Diva sich vor ihrer eigenen Persönlichkeit versteckt hat? Sonst hätte sie nach stürmischem Beifall mit gleich vier Zugaben mit der Hälfte aus ihrer finnischen Heimat nicht eine losgelöste, von jeder Spannung befreite Künstlerin entdecken lassen.

Insgesamt der schöne Liebestraum einer Sängerin ohne Starallüren in einem Programm, das sie erfreulicherweise ohne Sentimentalität ausführte. Einen Begleitpartner mit mehr einfühlsamer Anpassung wie Helmut Deutsch hätte sie nicht haben können. Am 28. April folgt übrigens ein weiterer Auftritt Nylunds im Brucknerhaus in einer Aufführung des Oratoriums „Das Unaufhörliche“ von Paul Hindemith.

Von Georgina Szeless

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