Lockdown letzte Chance für Spitäler

Landeshauptmann-Stv. Christine Haberlander: „Alles tun, um diese Pandemie zu bewältigen, aber auch die Lehren daraus ziehen“

Gesundheitsreferentin LH-Stv. Christine Haberlander
Gesundheitsreferentin LH-Stv. Christine Haberlander © APA/Fohringer

Leider hat die zweite Corona-Welle OÖ besonders schwer erwischt. Wie gut war man hierzulande darauf vorbereitet und wird unser Gesundheitssystem das aushalten?

Diese zweite Welle trifft nicht nur uns in Oberösterreich, sondern alle Bundesländer und wenn man über die Grenzen hinausschaut, ganz Europa mit einer großen Wucht. Wir haben uns in Oberösterreich über den Sommer gerade im Gesundheits- und Bildungsbereich vorbereitet. Etwas durch den verstärkten Ankauf von Schutzausrüstung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Spitälern. Während dies in ersten Lockdown noch teilweise Mangelware war, können nun alle gut ausgerüstet werden. Wir haben die Intensivbetten aufgestockt, sodass wir mehr Patienten behandeln können. Aber dennoch ist die Belastung nur zu einem gewissen Grad bewältigbar. Wir haben in OÖ eines der besten Gesundheitssysteme der Welt – und selbst wir stoßen an die Grenzen. Wie muss es da erst in anderen Ländern sein?

Haben sich die Herausforderungen gegenüber dem Frühjahr signifikant verändert?

Manche Herausforderungen sind gleichgeblieben, manches wird schwieriger. Ich nenne z. B. das „Contact Tracing“. Hier sehen wir, dass die unglaublich hohe Zahl an Infizierten und Verdachtsfälle die gewohnten Systeme belastet. In den Krisenstäben der Bezirkshauptmannschaften wird enorm engagiert und höchste kompetent gearbeitet. Ein großes Danke an dieser Stelle! Dieses Wirken ist so unglaublich wichtig. Da die Arbeitslast aber hier so enorm ist, nehmen wir immer Mitarbeiter auf. Wir haben so genannte „Pools“ geschaffen, wo Mitarbeiter im LDZ oder auch Soldaten die Mitarbeiter der Bezirkshauptmannshaften unterstützen. Aber was es ganz dringend noch mehr braucht: die Mithilfe eines jeden einzelnen! Hier haben wir Oberösterreicher das eventuell etwas auf die leichte Schulter genommen. Aber jetzt ist die Situation ernst! Jetzt gilt es zu Hause zu bleiben, Bücher lesen, spielen, mit Familie und Freunden übers Telefon reden. Aber niemanden treffen. Das ist schwierig, das ist traurig. Aber nur das hilft: Sozial-Kontakte reduzieren! Und zwar wirklich!

Haben Sie Sorge, dass die Betten in den Intensivstationen nicht reichen könnten, obwohl Oberösterreich im Gesundheitsbereich vergleichsweise sehr gut aufgestellt ist?

Die Situation ist sehr ernst, in Europa, in Österreich und bei uns in Oberösterreich. Wer das noch nicht verstanden hat, muss es jetzt verstehen: „Sehr ernst“ kann sehr schnell zu sehr dramatisch werden. Denn das österreichische und insbesondere das oberösterreichische Gesundheitssystem zählen zwar zu den besten der Welt, jedoch kann das beste System in Ausnahmesituationen an seine Grenzen geraten. Das gilt es mit aller Kraft zu verhindern. Mit dem rapiden Ansteigen der Infektionszahlen steigt die Zahl der mit Covid-19-Paatienten belegten Normal- und Intensivbetten dramatisch an. Unser oberstes Ziel muss es sein, zu jedem Zeitpunkt ausreichend Kapazitäten zu haben. Das schaffen wir nur gemeinsam, denn wir wissen, dass der Kampf gegen das Virus nicht nur in den Spitälern, sondern vor allem durch Eigenverantwortung und Zusammenhalt vor den Toren der Krankenhäuser gewonnen wird. Der Kampf gegen das Virus wird daheim geführt und entschieden!

Warum ist es so schwierig, die Zahl der Intensivbetten im Ernstfall aufzustocken?

Österreich hat im internationalen Vergleich eine der höchsten Versorgungsdichte bei den Intensivbetten. Aber auch diese Kapazitäten sind irgendwann ausgelastet. Allerdings reicht es ja nicht aus, ein Bett wohin zu stellen, sondern es braucht besonders geschultes Personal. Ein Intensivbetten ist ja nicht wie ein normales Bett zu sehen, das ist ja auch technisch nicht ganz einfach. Was auch mit Covid leider verbunden ist, ein Covid-Patient braucht mehr Pflege als andere. Das heißt, mehr Pfleger müssen sich um einen Covid-Patienten kümmern, weil es so kompliziert und schwierig ist, als bei anderen Fällen. Auf einer Covid-Station ist deutlich mehr Personal nötig als auf einer anderen Station. Es helfen jetzt alle zusammen!

Kann der am Wochenende verschärfte Lockdown die Infektionszahlen reduzieren?

Dieser Lockdown ist für uns alle schmerzlich, aber leider unumgänglich. Aufgrund der zuletzt dramatisch gestiegenen Infektionszahlen ist dieser Lockdown die letzte Chance, unsere Spitäler vor einer Überlastung zu schützen. Es liegt nun an uns allen, die Zahlen ernst zu nehmen und die sozialen Kontakte auf ein Minimum zu begrenzen.

Ihre dringendsten Empfehlungen gegen das Virus?

Das Virus können wir nur gemeinsam bekämpfen. Mund-Nasenschutz tragen, den nötigen Sicherheitsabstand einhalten und auf die Handhygiene zu achten sind Basisregeln, an die wir uns halten müssen. Unabhängig ob beim Arbeiten, beim Einkaufen oder im privaten Bereich. Und wirklich nur jene treffen, mit denen man zusammenwohnt.

Anscheinend gibt es schon sehr positive Ergebnisse bei Impfstoffen – sind Sie eigentlich für eine Impfpflicht?

Bei dem Ausmaß an Leid und wirtschaftlichen Folgen, die das Corona-Virus bislang verursacht hat, gehe ich davon aus, dass sich viele Menschen impfen lassen werden. Dies bestätigt auch eine Umfrage der „Gfk Austria“, demnach ist derzeit mehr als die Hälfte der Österreicher bereit, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen.

Familien – vor allem Kinder und Frauen – waren und sind zweifellos die Leidtragenden des neuerlichen Herunterfahrens. Wie kann man hier rasch und unbürokratisch helfen?

Wir wissen, dass ein „Herunterfahren“ eine große Herausforderung für die Familien bedeutet. Ja, Frauen und Kinder am meisten betroffen. Umso wichtiger ist es jetzt, dass, wenn eine Betreuung für Kinder benötigt wird, diese auch sichergestellt ist. Mir ist bewusst, dass Distance Learning für Kinder sehr fordernd ist. Darum ist es auch wichtig, dass dieser Lock Down nur so lange dauert, wie er nötig ist. Dafür sind aber wir alle verantwortlich: jeder trägt Verantwortung, dass die Infektionen sinken!

Ist Distance Learning eine vertretbare Alternative zum Präsenzunterricht an den heimischen Schulen?

Ich bin dankbar für das Verständnis, dass dieser Herbst und Winter eine besondere Herausforderung sind. Wir sehen Bildung als Chance für junge Menschen, die Möglichkeiten der Zukunft zu nutzen. Deshalb erkennen wir in der Digitalisierung zuerst die Chance – nicht die Bedrohung. In Zeiten von Corona ist in Oberstufen – wo die Schülerinnen und Schüler meist digital affin sind – Distance Learning eine vertretbare Alternative. In den Unterstufen und auch in den Volksschulen kann das nur die äußerste Maßnahme sein – doch die Gesundheit hat jetzt Priorität. Für diesen Fall haben wir bereits Ende September Leihgeräte – Notebooks und iPads – angeschafft, um bei Umstellungen auf Distance Learning Schülerinnen und Schüler ohne entsprechenden digitalen Zugang zuhause mit einem Leihgerät ausstatten zu können. Eines steht aber fest, der digitale Unterricht kann den Präsenzunterricht nicht ersetzen, sondern nur eine Notlösung sein.

Auch das Berufsleben hat sich coronabedingt verändert. Ergeben sich dadurch für Sie als neue ÖAAB-Landesobfrau zusätzliche Herausforderungen?

Die Corona-Pandemie hat auch in der Arbeitswelt bestehende Entwicklungen beschleunigt. Wichtig ist jetzt: Arbeit sichern. Dafür setzen wir uns im ÖAAB ein. Aber gleichzeitig wollen wir die richtigen Perspektiven auf die Herausforderungen von heute und von morgen bieten. Ein Thema, das durch Corona sicherlich Fahrt aufgenommen hat, ist Corona: Homeoffice kann viele Vorteile mit sich bringen. Hier arbeiten die Sozialpartner auch schon an den Regeln und Rahmenbedingungen für die Zukunft. Ein weiteres wichtiges Themenfeld, das durch Corona noch herausfordernder geworden ist, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Unterstützung von Eltern mit Betreuungspflichten. Da ist mit der Ausweitung der Corona-Sonderbetreuungszeit ein wichtiger Schritt gelungen.

Gerade im Homeoffice stellen sich viele Fragen. Wie schaut es etwa im Bereich Arbeitsunfall aus? Gibt es da bereits Regelungen oder darf am Arbeitsplatz daheim halt einfach nichts passieren?

Der Unfallversicherungsschutz gilt aktuell auch im Homeoffice und bei mobilem Arbeiten. Die Bundesregierung hat hier zu Beginn der Corona-Krise eine Ausnahmeregelung geschaffen, die kürzlich bis Ende März 2021 verlängert wurde. Damit werden Beschäftigte, die mobil oder von zu Hause aus arbeiten, bestmöglich unterstützt und geschützt.

In nicht einmal einem Jahr wird in Oberösterreich gewählt. Wie sehr wird das Thema Corona den Wahlkampf beherrschen?

Wir befinden uns mitten in einer weltweiten Pandemie. Unsere Anstrengungen gelten jetzt der Bewältigung dieser Pandemie, dafür brauchen wir jetzt alle Kräfte. An einen Wahlkampf denke ich nicht. Jetzt brauchen wir den Zusammenhalt aller!

Abseits von Corona: In welchen Bereichen im kommenden Arbeitsjahr wollen Sie Akzente setzen?

Wir befinden uns derzeit in einer der größten Krisen der vergangenen Jahrzehnte. All meine Anstrengungen fließen in die Eindämmung des Virus und die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung. Im Hintergrund laufen selbstverständlich Überlegungen für die Zeit und das Leben nach Corona.

Die Fragen an Landeshauptmann-Stv. CHRISTINE HABERLANDER stellte Harald Engelsberger

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