Aus dem Leben eines Berufsabenteurers

Ein Abenteurer war Andreas Kieling irgendwie schon immer. 1976 floh er als 16-Jähriger aus der DDR über die Tschechoslowakei und Österreich nach Westdeutschland und wurde dabei am 16. Oktober 1976 beim Durchschwimmen der Donau von einem Grenzer beschossen. Später wurde er in Westdeutschland Seemann, heuerte für Überseefahrten auf deutschen Handelsschiffen an. Nach seiner Ausbildung zum Berufsjäger und längeren beruflichen Aufenthalten in China, Indien und Pakistan begann 1991 Kielings Karriere als Dokumentarfilmer. Seine Erlebnisse beschreibt er in mehreren Büchern, seine Abenteuer sind aus vielen Fernsehproduktionen bekannt.

Zu seinem 30-Jahr-Jubiläum brachte National Geographics einen beeindruckenden Bildband heraus: „Andreas Kieling — 30 Jahre Tierfilm“ porträtiert das Leben des Berufsabenteurers in allen Facetten.

Der Leser folgt dem Tierfilmer beispielsweise in den Yellowstone Nationalpark, nach Madagaskar und nach Alaska und schließt hautnah Bekanntschaft mit Koalas, Orang-Utans und Pinguinen.

Apropos Pinguine: Von denen bekam Andreas Kieling bei seiner Expedition im Südpolarmeer viele zu sehen. Bereits die Schifffahrt in die Antarktis war ein Abenteuer und forderte den einstigen Seemann, wie er beschreibt: „Selbst in meinen drei Jahren zur See hatte ich nie eine so aufgewühlte See und derart hohe Wellen gesehen. Neun der zehn Expeditionsschiffe, die sich auf den Weg in die Antarktis gemacht hatten, gaben auf und kehrten um, nur unser Kapitän steuerte weiter das antarktische Festland an.“ Die Ankunft auf Südgeorgien beschreibt Kieling nach tagelangem Sturm als einigermaßen ruhig.

Überdimensionale Kaffeewärmer

Die Salisbury Plain, eine große Ebene in der Bay of Isles, beherbergt die weltweit zweitgrößte Kolonie von Königspinguinen. Zigtausende Tiere würden sich dort versammeln.

„Ausgewachsene in elegantem silbergrauem Frack, mit schimmernder weißer Brust und den hübschen orangegelben Partien an Hals und Kopf, dazwischen ihre Jungen, die in ihrem braunen Daunenkleid aussahen wie überdimensionale Kaffeewärmer.“ Geruch und Lärm seien gewöhnungsbedürftig gewesen.

Noch mehr Königspinguine gab es in St. Andrews Bay, ebenfalls auf Südgeorgien, doch dort interessierten sich Andreas Kieling und sein Kollege und Freund Frank mehr für die See-Elefanten, die unübersehbar — „die Männchen dieser größten Robbenart können immerhin sechseinhalb Meter lang und dreieinhalb Tonnen schwer werden“ — den Strand belagerten.

Dass die Nähe, die Andreas Kieling zu den Tieren einnimmt, eine immense Gefahr darstellt, zeigt sich nicht nur hier, wo er von einem flüchtenden Männchen überrannt wurde, dank des nachgebenden Untergrunds jedoch „wie ein Rosine in weichen Teig gedrückt wurde und der Koloss über mich hinwegglitt.“ Bis auf einen verrenkten Hals, Prellungen und Blutergüsse war der Fotograf jedoch heil geblieben.

Noch einmal ganz andere Dimensionen erreicht jenes Tier, das Andreas Kieling im Ningaloo Reef vor Australien vor die Linse bringen wollte: der größte Knorpelfisch der Erde, der Walhai, bringt bis zu 12 Tonnen auf die Waage. Einmal im Jahr tauchen die Giganten, die bis zu 14 Meter lang werden, am Ningaloo Reef auf, um sich fortzupflanzen. Bei dem Versuch, unter einem der Walhaie mit der Kamera hindurchzutauchen, riss Kieling ein Trommelfell. Der Arzt hatte eine klare Botschaft an ihn: Tauchen könne er vergessen.

„Das war für mich definitiv keine Option, denn ich war um den halben Erdball gereist, um Walhaie zu filmen, also würde ich das auch tun.“ Am Ende musste sich der Tierfilmer aber den schmerzhaften Zeichen seines Körpers geschlagen geben, und einem Kollegen die Unterwasseraufnahmen überlassen.

Geschichten hat Andreas Kieling viele zu erzählen — und tut dies auch auf sehr unterhaltsame Weise, etwa, wie er zu einem Selfie mit einem Schneeaffen kam, oder was zu tun war, als eine riesige Anakonda sich um seinen Körper wickelte. „Gefühlt im Bruchteil einer Sekunde lag ich als gut verschnürtes Paket auf dem Boden und konnte mich nicht mehr bewegen.“

Das könnte Sie auch interessieren