Die kultigste Hose wird 150

„Ich wünschte, ich hätte die Jeans erfunden“, seufzte angeblich einst schwermütig der Pariser Mode-Genius Yves Saint Laurent. „Ich wünschte, ich hätte die 501 erfunden“, soll auch US-Modeguru Tom Ford von sich gegeben haben. „Das wichtigste Kleidungsstück des 20. Jahrhunderts“, urteilte das Time Magazine über die Kulthose, das allererste Denimbeinkleid aus dem Hause Levi's. Heuer feiert die Jeans ihren 150. Geburtstag.

Am Anfang stand die Idee mit der Niete: Levi Strauss, als Kind mit seiner Familie aus dem bayrischen Buttenheim — wo noch heute ein Museum in seinem Geburtshaus an den Vater der Denimhose erinnert — in die USA emigriert, verkaufte in San Francisco den Glücksrittern des kalifornischen Goldrausches allerlei. Am 20. Mai 1873 ließ er die Idee, Ecken von Hosentaschen mit Nieten zu verstärken, patentieren — die Jeans war geboren.

Meinungsstarke Frau & wertvolles Patent

Aber eigentlich verdankte Levi Strauss einer meinungsstarken Ehefrau seinen größten Geschäftserfolg. Die Gattin des Schneiders Jacob Davis aus Reno in Nevada verbot Ende des 19. Jahrhunderts ihrem Mann aus Geldgründen, das Patent für eine strapazierfähige Hose mit Nieten anzumelden. In seiner Not schrieb Davis 1872 an seinen Lieferanten Levi Strauss in San Francisco einen Brief mit der Bitte, das Patent zu finanzieren. Strauss kam dieser Bitte nach …

„Nichts sieht nachlässiger aus als ein Arbeiter, dessen Hosentaschen ausgerissen sind“, stimmte die Lokalzeitung der neuen Errungenschaft von Levi Strauss & Co zu. „Der Aufstieg der Jeans hängt eigentlich immer mit einer wirtschaftlichen Krise zusammen“, erläutert Tanja Roppelt, Leiterin des Levi Strauss Museums. Im Jahr 2000 hatte Buttenheim das Geburtshaus von Levi Strauss zum Museum umgebaut. Levis Vater, Hirsch Strauss, ein Händler, starb 1846 an Tuberkulose. Die Familie konnte sich finanziell nicht mehr über Wasser halten. So entschloss sich Mutter Rebecca mit ihren drei jüngsten Kindern, darunter auch der 18-jährige Löb, nach Amerika auszuwandern. „Dort erwartete sich die verarmte jüdische Familie einen größeren Wohlstand“, weiß Roppelt. Eine erste Anlaufstelle war schnell gefunden. Schließlich weilten bereits zwei Söhne der Familie Strauss in New York.

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Auf der anderen Seite des großen Teiches angekommen, nahm Löb Strauß die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Aus dem Namen Löb wurde Levi. 1853 stieg er ins Handelsgeschäft seiner großen Brüder ein und zog, vom Goldrausch erfasst, gen Westen nach San Francisco. Dort konnte Levi die Ware seiner Brüder aus New York zum drei- und vierfachen Preis verkaufen. Er handelte mit allem, was benötigt wurde, Zahnbürsten, Hosenträger, Sonntagsanzügen und natürlich auch Hosen.

Zunächst war die frisch patentierte Jeans eine reine Arbeitshose. Bekannt und geschätzt war sie nur westlich des Mississippi. Die Welt hat sich seit 1873 verändert, die Jeans dagegen kaum. Der erste sogenannte „Bundoverall“ verfügte bereits über eine Hintertasche, die zusätzliche Uhrentasche vorne rechts und über Knöpfe für die Hosenträger. Die Nieten an den Hintertaschen mussten 1937 weichen, da sie nach Klagen von Kunden Sattel oder Sessel zerkratzten. Gürtelschlaufen anstelle der Hosenträger, Reißverschluss und eine zweite Hintertasche waren die einzigen wesentlichen Neuerungen, die die Jeans über sich ergehen lassen musste. „Es gibt heute mehr Farben und Passformen, aber der eigentliche Schnitt hat sich in 125 Jahren nicht verändert“, sagt „Levi’s“-Historikerin Lynn Downiw.

Und wieder war es eine Krise, die die Ausbreitung der Jeans vorantreiben sollte. Während der Weltwirtschaftskrise in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts konnten sich die reichen Ostküsten-Amerikaner plötzlich keine Urlaubsreisen nach Europa mehr leisten. „Stattdessen war Urlaub auf dem Bauernhof im Westen der USA angesagt“, erzählt Museumsleiterin Roppelt. Damit begann die Erfolgsgeschichte der Jeans in den gesamten Vereinigten Staaten. Es folgte der Aufstieg von der Arbeits- zur Freizeithose.

Durch den Zweiten Weltkrieg schafften die Beinkleider schließlich den Sprung nach Europa. Für Jugendkulturen wie die Hippies und die Punks war die Jeans ein Protestzeichen gegen die etablierte Gesellschaft. Mittlerweile ist die Jugend von damals erwachsen geworden — und mit ihr die Jeans.

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Für Levi Strauss hat sich die Auswanderung nach Amerika gelohnt. Aus dem Sohn einer verarmten jüdischen Familie im Fränkischen wurde ein reicher Mann. Er hat den „American way of life“ verwirklicht. Im Alter von 73 Jahren starb Levi Strauss 1902 in San Francisco.
Seit die Jeans vom Sattel gestiegen und salonfähig geworden ist, wollen auch andere am Erfolg teilhaben. Von Billigkopien bis zur obligatorischen Jeanslinie teurer Modemacher reicht die Konkurrenz für Levi’s Erben. Die blaue Hose ist zum Kult geworden, ebenso die Werbung für sie. Film- und Musikbussiness sind Hauptinstrumente beim Verkünden des Image von Freiheit und Abenteuer. Schon die Cowboys in den Stummfilmen ritten in „Levi’s“-Jeans und auch „Batman“, „Forrest Gump“ und „Thelma und Louise“ trugen sie — gegen Bezahlung, versteht sich. Mal adeln Prominente den Mythos, mal geht es andersrum: Brad Pitt, Kiefer Sutherland und Bruce Willis steckten vor ihrer Karriere als Models in Jeans.

Ladys und die Jeans

Der Hersteller Levi’s kreierte im Herbst 1934 die weltweit ersten Jeans für Ladys im damals „Wilden Westen“. Bis heute orientieren sich aktuelle Trends wie Boyfriend- oder Skinny-Linien am weiblichen Denim-Prototypen, der jetzt schon 75 Jahre zählt. Die Einführung der „Lady Levi’s Jeans“ war der erste Schritt der unverwüstlichen Blauen auf ihrem Weg zum weltweiten Mode-Hit.

Dabei galten Damen in Hosen anno 1934 noch als nicht salonfähig. „Mit der Lady Levi’s-Serie konkretisierte sich für fortschrittlich denkende Frauen ein ganz neues und starkes Unabhängigkeitsgefühl“, sagt Jeansexpertin Lynn Downey.

Der Damen-Ur-Jeans wurde die Lotnummer 701 zugewiesen, um sie vom Männermodell (Lot 501) zu unterscheiden. Zielgruppe waren vor allem Frauen, die auf Bauernhöfen arbeiteten. Deshalb wurden die Modelle zunächst nur in den Weststaaten der USA verkauft.
Als in den kommenden Jahren Urlaub auf der Cowboyranch immer beliebter wurde, stiegen auch die Umsätze der Damenjeans rasant an. Exklusive Warenhäuser wie Best & Co. oder H. Kauffman & Sons Saddlery Company nahmen sie in ihr Sortiment auf. Statt der Knopfleiste erhielten die Damen-Modelle fortan einen Reißverschluss. In den 50er Jahren wurden die „Lady Levi’s Jeans“ in ganz Amerika gleichberechtigt neben dem klassischen Männermodell 501 verkauft.

Heute werden Innovationen bei Schnitt und Ausführung in erster Linie für den weiblichen Markt entwickelt. Schließlich haben die Umsätze von Damenjeans jene der Herren nach Angaben von Levi’s schon 2000 erheblich übertroffen. „Seit 1934 hat sich nicht wirklich viel geändert, denn heute wie damals wollen wir perfekt sitzende trendige Jeans kreieren, in denen sich unsere Ladys hundertprozentig souverän fühlen“, versicherte You Nguyen, ehemaliger Senior Vize-Präsident der Damen-Abteilung des Herstellers.

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